Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
Vom Netzwerk:
an.
    Artur packte Rictors Arm und zog ihn in den Raum. Sie verschwanden hinter dem schwarzen Schleier, wurden von dieser schwarzen Zunge verschluckt. Elena holte tief Luft und folgte ihnen.
    Als sie in den Raum trat, verstummte das Heulen der Sirene. Absolute Stille umgab sie, mehr als Stille. Selbst ihr rasender Herzschlag schien gedämpft zu werden, sich zu verlangsamen. Der Boden unter ihren Füßen fühlte sich in den feuchten Socken weich an, wie Sand.
    Die Finsternis war jedoch nicht undurchdringlich. Ein Ring aus weißem Licht durchbrach sie, ein Halo, der in dem Schwarz schwebte und aufwärtszuströmen schien, rein und lautlos. Elena blieb fast das Herz stehen. Noch nie hatte sie etwas so Schreckliches oder Schönes gesehen. Oder etwas Unheimlicheres.
    »Gehen Sie durch den Sand«, sagte Rictor fast verzweifelt. Elena konnte weder ihn noch Artur sehen. »Durch das Licht, die Linien, zerstreuen Sie sie. Schnell. Schnell!«
    Schweigen, dann hörte sie Arturs Stimme. »Das kann ich nicht. Mein Fuß prallt von dem Licht zurück.«
    Wieder Schweigen, dann sagte Rictor: »Das war’s. Verdammt. Ich hätte wissen müssen, dass sie ...«
    Elena hörte nicht mehr zu. Sie machte zwei Schritte und trat durch den Ring aus Licht. Nichts prallte ab. Sie durchquerte den Ring mit einem Schritt und befreite die Leere, die in diesem großen, dunklen Raum eingesperrt war. Sie fühlte etwas an ihrem Gesicht, etwas wie Wind, das aber schwerer, tiefer schien, angefüllt von einem Duft nach Frühlingsregen, nach frischem Gras und dem Knospen erster Blüten. Wie Jugend, die in einem gewaltigen Atemzug eingesperrt ist: und dann das Ausatmen eines Wunders. Das Licht erlosch.
    »Mein Gott!«, stieß sie hervor. »Was war das, um Hi mm els willen?«
    Sie hörte jemanden weinen und drehte sich um. Sie konnte sehen. Der Raum war immer noch dunkel, von der offenen Tür strömte jedoch Licht herein, fiel auf Sand - die Umrisse von Körpern. Es war nur ein Raum.
    Rictor kniete neben Artur und hatte die Fäuste vor die Augen gepresst. Seine Schultern zuckten, er weinte. Sein Körper wurde von Schluchzern geschüttelt.
    »Rictor«, sagte Elena. »Ach, Rictor. Was hat sie Ihnen angetan?«
    Er machte sich nicht die Mühe, seine Tränen abzuwischen. Dann stand er auf, und seine Bewegungen wirkten anders: erfüllt von einer alterslosen Güte, einer zeitlosen Anmut, deren Schönheit äußerst machtvoll schien. Er richtete den Blick seiner tränenüberströmten Augen auf Artur und Elena. Sie glühten grün.
    »Machen wir, dass wir hier rauskommen«, sagte er.

9
    Hastig verließen sie den Raum und rannten durch den Korridor. Artur dachte dabei über Magie nach, ihn beschäftigte die unerklärliche Fähigkeit, die Wirklichkeit nach eigenem Gutdünken zu verändern. Er wusste zwar, dass so etwas existierte, er hatte ihre Anwendung auch schon in mehr als einer Form erlebt, aber trotzdem traf es ihn immer wie ein Schock. Es kam ihm noch unglaublicher vor als die Möglichkeit des Gestaltwandelns, unberechenbarer als Wut. Die Metaphysik konnte einen wirklich erschrecken.
    Dasselbe könntest du von deinem eigenen Leben behaupten.
    Richtig. Denn wie hätte er diesen Augenblick Vorhersagen können, in dem er um sein Leben und seine Freiheit rannte, dazu in Gesellschaft von Gestaltwandlern und Psi-Begabten und einem Mann, der höchstwahrscheinlich gar kein Mensch war?
    Das wäre unmöglich gewesen. Andererseits genoss er sein außergewöhnliches Leben.
    Männer und Frauen, deren Gesichter er nur als Widerhall in seinen Visionen gesehen hatte, glitten jetzt in der Realität an ihm vorbei, an die Wände gepresst, während sie ihm mit echtem Entsetzen in ihren Mienen nachblickten. Artur litt, als sein Blick ihre Gesichter streifte: Für sie war er nur ein Monster. Sie alle waren Monster.
    »Noch greift uns niemand an«, schrie Elena über das Schrillen der Alarmglocke. Sie hatte sich zurückfallen lassen und rannte jetzt neben ihm. Ihr Gesicht wirkte gerötet, Wangen und Hals waren blau von Prellungen, aber in ihr en Augen, diesen dunklen Augen, schimmerte trotzig die Hoffnung. Sie anzusehen schenkte auch ihm Hoffnung, obwohl er nicht genau wusste, worauf. Von einem Moment zum anderen, für mehr konnte er nicht leben, bis sie diesem Ort entflohen waren.
    »Wartet einfach ab«, sagte Rictor. Seine Augen glühten immer noch, was ein wenig beklemmend war. Artur traute dem Mann nicht ganz, und ihm war auch nicht entgangen, wie er sich Elena gegenüber benahm. Das

Weitere Kostenlose Bücher