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Shadow Touch

Titel: Shadow Touch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marjorie M. Liu
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störte Artur. Lächerlich, na klar. Er hatte keinerlei Rechte auf Elena, trotz allem, was zwischen ihnen vorgefallen war. Was außerdem nicht sehr viel war, es sei denn, man rechnete diese erstaunliche Existenz ihrer geistigen Verbindung dazu, oder das Verschmelzen ihrer Seelen.
    Genau. Vielleicht zählte das sogar besonders viel. Jedenfalls solange sie dasselbe empfand, was ihre gemeinsame Erfahrung betraf.
    Das ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt!, tadelte er sich und widerstand dem Impuls, ihre Hand zu ergreifen. Er musste sich frei bewegen können, damit er kämpfen konnte, ohne jede Vision im Hirn. Er blickte nach unten auf ihre Hand; irgendwann unterwegs hatte sie ihre Waffe verloren, das kleine Skalpell.
    Schließlich gab Artur seiner Schwäche nach und nahm doch ihre Hand. Die Visionen, die sich sofort in seinem Kopf ausbreiteten, behinderten ihn jedoch nicht so wie zuvor;
    stattdessen fühlten sie sich behaglich an, wie eine warme Decke. Offenbar gewöhnte er sich an ihre Berührung. Elena lächelte.
    »Wir bekommen Gesellschaft«, verkündete Rictor.
    »Ich nehme nicht an, dass dies Leute einschließt, die zu verprügeln politisch korrekt ist?«, wollte Rik wissen. Artur vermutete, dass er sich inzwischen besser fühlte. Für Sarkasmus dieser Art brauchte man Energie.
    »Vielleicht ein paar.« Rictor sah ihn finster an. »Aber sie gehören mir!«
    Artur sparte sich den Vorschlag, sich zu verstecken. In diesem Teil der Einrichtung gab es keine Türen; es war nur ein Netzwerk aus Korridoren, wie ein Labyrinth für die, die das Licht fürchteten. Die ganze Anlage vermittelte einen so militärischen Eindruck, dass Artur sich unwillkürlich fragte, ob das Konsortium vielleicht eine Verbindung zur Regierung hatte.
    Rictor hob die Hand. Alle verlangsamten ihr Tempo, einschließlich Amiri. Sein Schwanz ringelte sich kurz um Riks dunkelbraune Beine. Artur hörte das Getrampel schwerer Stiefel auf dem Beton und zog Elena hinter sich. Sie widersetzte sich, natürlich, aber Artur wollte sie nicht ungeschützt lassen.
    Schließlich tauchten die Männer auf. Artur war sicher, den Anblick weißer Uniformen nie mehr unbelastet ertragen zu können.
    Gib es doch zu: Sie erinnern dich an deine Kindheit, an die Ärzte und ihre sogenannten Pfleger. Du hast die Farbe Weiß schon immer gehasst.
    Es waren fünf große Männer, zwei von ihnen bewaffnet. Artur war sich fast sicher, dass die großen Pistolen in ihren Händen mit Betäubungspfeilen geladen waren.
    »Rictor!«, rief einer. »Was machst du da, Mann?«
    »Ich bin wieder ich selbst«, erwiderte er und streckte die
    Hände aus. Die Wärter flogen mit einer solchen Wucht zurück, dass sie nicht einmal dazu kamen, einen Schrei auszustoßen. Wie Puppen krachten sie so heftig gegen die Betonwand, dass ihre Knochen brachen. Die Waffen fielen klappernd neben ihren Körpern zu Boden.
    Dann herrschte Stille. Rictor hatte seine Hände immer noch ausgestreckt. Er starrte die Männer an, dann seine Hände, und Artur erinnerte sich, wie es sich angefühlt hatte, ihn gebrochen und weinend anzusehen. Er hatte Rictor erst ein Mal getroffen und hatte den Mann nicht einschätzen können, aber sein Instinkt trog ihn nur selten. An ihm waren Tränen ebenso surreal wie Magie, Ringe aus Licht oder der erste Anblick eines Gestaltwandlers. Es war höchst seltsam und fremdartig.
    Er wartete einen Augenblick, doch als Rictor weder dem Wahnsinn zu verfallen schien noch Anstalten machte, die am Boden Liegenden weiter zu misshandeln, ließ Artur Elenas Hand los und stürmte vor, um die Waffen einzusammeln. Er überprüfte sie kurz. Wie er vermutet hatte, handelte es sich um Betäubungspistolen. Es fühlte sich gut an, eine Waffe in der Hand zu halten. Wissen sickerte wie Wasser durch den Griff der Waffe bis in sein Hirn hinein. Er hörte Schritte aus dem Korridor.
    »Laufen oder kämpfen?«, fragte Rik und drehte das Eisenrohr in seinen Fingern.
    »Laufen«, antwortete Artur, bevor jemand anders etwas sagen konnte. Er kannte dieses Spiel, er hatte es auf den Straßen und auch im Waisenhaus erlebt. Wegzulaufen war nicht immer die Wahl des Feiglings; manchmal hing auch das eigene Überleben davon ab. Je weniger gewalttätige Auseinandersetzungen jemand provozierte, desto länger lebte er. Und gerade jetzt wollte Artur sehr lange leben. Und er wollte auch, dass Elena lange lebte, und zwar ohne einen weiteren Albtraum durchmachen zu müssen. Fast sein ganzes Erwachsenenleben war von Gewalt geprägt

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