Shadow Touch
gewesen, und er wollte nicht, dass sie dasselbe durchmachen musste. Nicht dieser helle, reine Geist.
Er merkte, wie Rictor ihn anstarrte. Es war ein abschätzender Blick. Unzweifelhaft hatte er jeden einzelnen von Arturs Gedanken belauscht. Er sah zu Elena hinüber, die dastand und in den Korridor hineinlauschte, mit einem trotzig furchtsamen Gesichtsausdruck. Rictor ließ seine Hände sinken und ballte die Fäuste. Er wollte kämpfen, das konnte Artur in seinem Blick erkennen. Für Elena, für sie ...
Sie gehört mir!, dachte Artur - und war selbst erschrocken darüber, wie frei und vehement diese Worte aus ihm herausbrachen. Sie gehört mir - das klang wie ein Schlachtruf, die Verkündigung eines mächtigen Gebetes, ein Versprechen und auch eine Drohung.
Rictors Augen blitzten glühend auf. »Ihr beide besorgt uns einen Raum«, bat Elena. »Ich will hier weg.«
Sie ging langsam den Korridor rückwärts entlang und starrte sie erwartungsvoll an. Amiri begleitete sie, Rik ebenfalls.
»Geht«, meinte Rictor. »Ihr kennt den Weg. Ich hole euch später ein.«
Er drehte sich herum, der Quelle der Geräusche entgegen, und hob die Arme. Artur sah eine Kolonne von Leibern näher kommen. Es waren die Wissenschaftler. Sie wirkten jetzt nicht mehr eingeschüchtert. Ihre Gesichter waren eher ausdruckslos.
Artur drehte sich um und rannte los. Er hielt in jeder Hand eine Betäubungspistole. Elena blieb dicht an seiner Seite, Rik bildete die Nachhut. Amiri sprang mit geschmeidigen Sätzen voraus.
Hinter ihnen gellten Schreie auf. Elena zögerte. »Nein«, befahl Artur. »Lauf weiter.«
Versuche, nicht daran zu denken. Stell es dir nicht vor.
Artur erinnerte sich an den Weg; all die Echos und gestohlenen Visionen sorgten dafür, dass er sich hier genauso gut auskannte wie Rictor. Es gab zwei Aufzüge auf dieser Ebene, aber keiner von ihnen war sicher. Also blieb nur noch das Treppenhaus. Dieser Weg mochte zwar ebenfalls unsicher sein, aber wenigstens waren sie dann nicht in einem Käfig gefangen.
Die Tür zum ersten Treppenhaus war mit einem digitalen Schloss versperrt. Artur berührte den Bildschirm für die Tastatur, saugte die Erinnerungen des letzten Mannes ein, der diese Treppe benutzt hatte, und zwar in Begleitung einer Frau, einer Wissenschaftlerin. Sie wollten Sex haben - und hier waren sie ungestört, weil die Treppe nur selten genutzt wurde. Artur fand den Code, tippte die Zahlen ein, und die Tür öffnete sich.
»Sie haben keinen Plan, oder?«, fragte Rik, als er sich an Artur vorbeidrückte. Amiri war bereits auf der Treppe und schlich dicht am Boden wachsam weiter.
»Der Wille zu überleben«, erwiderte Artur und sah ihn scharf an. »Das ist der einzige Plan, den ich brauche.«
Sie stiegen die Treppe hinauf, immer weiter, sahen sich kurz auf der zweiten Ebene um, die nur für kurze Zeit ihr Gefängnis gewesen war, bevor sie an dieser Ebene vorbei die Treppe hinauf nahmen. Eine merkwürdige Anlage. Arturs Unterbewusstes erinnerte sich an die Treppe und daran, dass er sie bereits gegangen war. Doch es kam ihm merkwürdig vor, dass es so etwas an diesem Ort gab. Ein so leichter Zugang zur Oberfläche?
Nur, wenn du bist wie wir, nicht kontrolliert wirst. Die anderen, selbst die Angestellten, schaffen es vielleicht nie bis hierher. Und vielleicht war diese Einrichtung auch nicht immer für diese Aufgabe gedacht. Sie könnte zweckentfremdet worden sein.
Amiri knurrte, sein Rückenfell sträubte sich. Artur schob Elena gegen die Wand des Treppenhauses, als Graves auf dem Treppenabsatz erschien. Sie hatte eine Beruhigungspistole in der Hand, ebenso die beiden Männer, die hinter ihr auftauchten. Auch der Arzt war bei ihnen, allerdings unbewaffnet. Er war der Einzige, der aufgeregt zu sein schien. Graves machte den Eindruck, als würde sie sich genauso gut gerade die Fingernägel feilen können.
»Das dachte ich mir«, sagte sie, ihre Stimme war unter dem Heulen des Alarms kaum zu verstehen. »Ich habe zwar keine Ahnung, wie Sie es bis hierher geschafft haben, aber ich hatte vermutet, dass Sie vielleicht wüssten, wie Sie sich Zugang zum Treppenhaus verschaffen könnten. Bemerkenswert, Mr. Loginov. Ich bin außerordentlich beeindruckt von Ihnen. Sie sind kaum einen Tag hier und haben sich meinem Arbeitgeber bereits widersetzt, Ihre Fesseln abgeschüttelt und einen ausgezeichneten Versuch unternommen, unsere übrigen Gäste ebenfalls zu befreien. Ich darf Ihnen versichern, dass dies ein einsamer Rekord
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