Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
verabschiedet.
Die kupferfarbenen Augen werden schmal und funkeln vor Verachtung. »Du hast Barrons nicht getötet. Was ist passiert? Was führst du im Schilde?«
»Er hat mich betrogen«, lüge ich.
»Wie?«
»Das geht dich nichts an. Ich hatte meine Gründe.« Ich sehe, dass er mich kritisch mustert. Er überlegt, ob mich die Vergewaltigung durch die Unseelie-Prinzen und die Zeit in der Hall of All Days irre gemacht haben. Er fragt sich, ob ich so gestört und verrückt bin, dass ich Barrons tatsächlich getötet habe, weil ich mich über ihngeärgert habe. Als sein Blick wieder auf die Runen fällt, denkt er, dass ich genügend Mumm habe, um so etwas durchzuziehen – das sehe ich ihm an.
»Tritt aus dem Kreis. Ich habe deine Eltern und werde sie töten, wenn du mir nicht gehorchst.«
»Das ist mir egal«, schnaube ich.
Er starrt mich an. Ihm ist nicht entgangen, dass ich das ganz ernst gemeint habe.
Es ist mir egal. Ein wesentlicher Teil von mir ist tot. Ich trauere nicht deswegen. Dies ist nicht mehr meine Welt. Was hier geschieht, spielt keine Rolle. In dieser Realität sind meine Tage gezählt. Ich werde eine neue aufbauen oder bei dem Versuch mein Leben lassen.
»Ich bin frei, Darroc. Ich bin wirklich und wahrhaftig frei.« Ich ziehe die Schultern hoch, lege den Kopf in den Nacken und lache.
Er atmet scharf ein, als ich seinen Namen ausspreche und lache. Das verrät mir, dass ich ihn an meine Schwester erinnere. Hat sie ähnliche Worte zu ihm gesagt? Hört er dieselbe Fröhlichkeit in meinem Lachen wie einst in ihrem?
Er geht einen engen Kreis um mich und sieht mich aus leicht zusammengekniffenen Augen an. »Was hat sich verändert? Was ist in den Tagen seit der Entführung deiner Eltern bis heute mit dir geschehen?«
»Meine Veränderung hat schon vor langer Zeit begonnen. Du hättest dafür sorgen sollen, dass Alina am Leben bleibt. Ich habe dich dafür gehasst.«
»Und jetzt?«
Ich beäuge ihn von oben bis unten. »Jetzt ist es anders. Die Dinge sind anders. Wir sind anders.«
Er schaut mir in die Augen und wechselt rasch zwischen dem linken und rechten hin und her. »Was sagst du da?«
»Ich erkenne den Grund, warum wir … keine Freunde sein können.«
»Freunde?«, wiederholt er versuchsweise.
Ich nicke.
Er zieht in Erwägung, dass ich es aufrichtig meinen könnte. Ein Mensch würde sich nie mit diesem Gedanken tragen. Feen sind anders. Gleichgültig, wie viel Zeit sie unter uns verbringen, sie können die Feinheiten der menschlichen Emotionen nicht erfassen. Genau auf diesen Unterschied baue ich. Als ich Barrons verlassen habe, wollte ich nichts anderes, als mich auf die Lauer legen und Darroc in dem Moment, in dem er auftaucht, mit Hilfe meiner Runen und des dunklen glasigen Freundes töten.
Dieses Vorhaben schlage ich mir schnell aus dem Kopf.
Dieses zum Mensch gewordene Ex-Feenwesen weiß mehr als irgendjemand sonst über das Seelie- und das Unseelie-Volk sowie das Buch, das ich unbedingt in meinen Besitz bringen will. Sobald er mir alles erzählt hat, was er weiß, wird es mir eine Freude sein, ihn umzubringen. Vielleicht werde ich mich mit V’lane zusammentun, nachdem ich mir von Darroc alles geholt habe, was ich brauche. Immerhin fehlt mir noch der vierte Stein. Aber V’lane scheint, abgesehen von den alten Legenden, nicht viel über das Buch zu wissen.
Ich wette, die Unseelie sind besser im Bilde, was das Dunkle Buch angeht, als die rechte Hand der Seelie-Königin. Vielleicht können sie mir sogar sagen, wo ich die Prophezeiung finden kann. Wie Barrons hat Darroc tatsächlich ein paar Seiten aus dem geheimnisvollen Buch gesehen. Ich muss zugeben, dass die Jagd auf das Sinsar Dubh ziemlich nutzlos war, solange ich nicht wusste, wer es letzten Endes unter Kontrolle haben wird. Aber Darroc hat seine Suche nie aufgegeben. Warum? Was weiß er, was ich nicht weiß?
Je früher ich ihm seine Geheimnisse entlocke, desto eher kann ich lernen, mit dem Inhalt des Sinsar Dubh umzugehen. Und ich muss nicht mehr in dieser quälenden Realität leben, die ich ohne Zögern zerstören und durch meine Welt ersetzen würde. Durch die richtige, in der alle glücklich und zufrieden bis zum Ende ihrer Tage leben werden.
»Freunde verfolgen gemeinsame Ziele«, sagt er.
»Zum Beispiel die Bücherjagd«, stimme ich ihm zu.
»Freunde vertrauen sich. Sie schließen sich nicht gegenseitig aus.« Er sieht auf meine Füße.
Die Runen kommen aus mir. Ich bin der Kreis. Er weiß das nicht. Ich
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