Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)

kicke sie beiseite. Ich frage mich, ob er meinen Speer vergessen hat. So sehr durchsetzt mit Unseelie-Fleisch wie er ist, würde ein kleiner Ritz genügen, um ihm denselben langsamen, grausamen Tod zu bringen, den Mallucé erleiden musste.
    Als ich aus dem Kreis trete, wandert sein Blick bedächtig von meinem Kopf bis zu den Füßen.
    Ich sehe die Gedanken, die in seinen Augen aufflackern, während er meinen Körper betrachtet: töte sie/schlaf mit ihr/greif sie an und fessle sie/erforsche ihre Vorteile. Es braucht viel, um einen Mann dazu zu bringen, eine schöne Frau zu töten, mit der er noch nicht geschlafen hat. Insbesondere, wenn er sich schon mit ihrer Schwester vergnügt hat.
    »Freunde nötigen sich nicht gegenseitig«, sage ich mit einem bedeutsamen Blick auf das Amulett.
    Er neigt den Kopf und steckt das Amulett in die Hemdtasche.
    Ich biete ihm die Hand mit einem Lächeln. Barrons hat mich gut unterrichtet. Halten Sie Ihre Freunde immer in Ihrer Nähe …
    Darroc ergreift meine Hand, beugt sich zu mir und haucht einen Kuss auf meine Lippen. Die Spannung zwischen uns ist mit Händen greifbar. Eine plötzliche Bewegung, und wir stürzen uns aufeinander und versuchen, uns gegenseitig umzubringen. Das wissen wir beide. Er sorgt dafür, dass sein Körper nachgiebig ist. Ich strenge mich an, keine hektischen Bewegungen zu machen. Wir sind zwei Skorpione, die mit gerollten Schwänzen versuchen, sich zu paaren. Es ist nicht mehr, als ich verdiene, die Strafe, weil ich ihm erlaube, mich auf diese Art zu berühren. Ich habe Barrons zum Tode verurteilt.
    Ich öffne meine Lippen, aber die Zähne halten Wache. Ich hauche ein wenig Atem in seinen Mund. Das gefällt ihm.
    … und Ihre Feinde noch näher.
    Die Unseelie-Prinzen hinter uns beginnen leise zu singen wie dunkles Kristall. Ich erinnere mich an diese Klänge und weiß, was sie einleiten. Ich umfasse seine Hand fester. »Nicht sie. Nie wieder.«
    Darroc dreht sich zu ihnen um und bellt einen harschen Befehl in einer Sprache, die mir in den Ohren weh tut.
    Sie verschwinden.
    In dem Moment, in dem ich nicht mehr weiß, wo sie sind, ob sie mir näher kommen, fasse ich nach meinem Speer. Er ist weg.
    Die Unseelie-Prinzen können innerhalb der Spiegel keine gezielten Ortswechsel vornehmen. Darroc erzählt mir, dass es jedes Mal schiefgeht, wenn sie es versuchen. Cruces Fluch – er bringt alles durcheinander.
    Ich sage ihm, dass es mit den Steinen nicht besser ist, dass jede Dimension versucht, sie auszuspucken, sobald ich sie aus dem Beutel nehme. Sie sollen auf schnellstem Wege zu den eisigen Felsen des Unseelie-Gefängnisses zurückgehen, aus dem sie herausgemeißelt wurden.
    Ich bin überrascht, dass er das nicht weiß, und sage ihm das auch.
    »Du weißt nicht, wie das Leben am Seelie-Hof ist, MacKayla. Diejenigen, die wahres Wissen und echte Erinnerung an die Vergangenheit besitzen, bewachen sie eifersüchtig. Es gibt so viele verschiedene Versionen von den alten Tagen und sich widersprechende Geschichten von unseren Ursprüngen wie Dimensionen, unter denen man in der Hall of All Days auswählen kann. Die einzigen Unseelie, die wir jemals zu Gesicht bekommen haben, waren die, gegen die wir in die Schlacht zogen, als der König und die Königin miteinander kämpften und der König unsere Königin getötet hat. Seit damals haben wir unzählige Male aus dem Kelch getrunken.«
    Er geht mit unnatürlich flüssigen Bewegungen und Anmut am Rand der Felsen entlang. Feenwesen bewegen sich geschmeidig wie Raubtiere und mit der Selbstsicherheit derer, die wissen, dass sie nicht sterben können – oder zumindest nur in äußerst seltenenFällen und unter speziellen Umständen. Er hat seine Überheblichkeit nicht verloren oder vielleicht zurückgewonnen, seit er sich von Unseelie-Fleisch ernährt. Heute trägt er nicht seine rote Robe, die mir einmal so einen Schreck eingejagt hat. Er ist groß, muskulös, gekleidet wie ein Freizeitsportler und sieht aus wie jemand aus einer Versace-Werbung mit seinem langen mondsilbernen Haar, das er im Nacken zusammengebunden hat. Es ist unbestritten, dass er sexy ist. Sein kraftvolles Auftreten und das Selbstbewusstsein erinnern mich an Barrons.
    Ich frage nicht, warum sie aus dem Kelch trinken. Ich verstehe das. Wenn ich den Kelch finden würde und daraus trinken könnte, wäre all der Schmerz ausgelöscht, und ich könnte noch mal ganz von vorn anfangen. Um etwas, woran ich mich nicht erinnere, kann ich nicht trauern. Dass die Feen