Shadowfever: Fever Saga 5 (German Edition)
wird, das Buch zu finden und zu lernen, wie man es benutzt. Ich befeuchte meine Lippen. »Küss mich«, sage ich. »Wild.«
Seine Lippen spannen sich an. »Ich bin kein Narr, MacKayla.«
»Tu’s einfach«, fauche ich.
Ich beobachte, wie er den Vorschlag überdenkt. Zwei Skorpione. Er ist skeptisch. Er ist fasziniert.
Als er mich küsst, verblasst das Bild von Barrons, und der Schmerz lässt nach.
Auf den Lippen meines Feindes, des Geliebten und Mörders meiner Schwester schmecke ich die Bestrafung, die ich verdiene. Ich schmecke Vergessen.
Es macht mich wieder gefühllos und stark.
Mein ganzes Leben habe ich von Häusern geträumt. Ich habe ganze Ortschaften in meinem Unterbewusstsein, die ich nur erreiche, wenn ich schlafe. Allerdings kann ich meine nächtlichen Besuche genauso wenig kontrollieren, wie ich die Träume von meinem Kalten Ort vermeiden kann. Manchmal gewährt man mir den Durchgang, manchmal nicht. In gewissen Nächten öffnen sich die Türen ganz leicht, während ich in anderen davorstehe und mir der Zugang verwehrt wird, während ich mich nach den Wundern sehne, die hinter der Tür verborgen sind.
Ich verstehe die Leute nicht, die sagen, sie könnten sich nicht an ihre Träume erinnern. Mit Ausnahme der Träume vom Kalten Ort, die ich seit langer Zeit zu blockieren versuche, erinnere ich mich an alle. Wenn ich am Morgen aufwache, schweben sie in Fragmenten durch mein Bewusstsein, und ich kann entweder aus dem Bett springen und alles vergessen oder die Stücke einsammeln und untersuchen.
Ich habe irgendwo gelesen, dass Häuser in unseren Träumen die Seele symbolisieren. In den Behausungen unserer Psyche bewahren wir unsere innersten Geheimnisse und Wünsche auf. Vielleicht erinnern sich die Leute deshalb nicht an die Träume – sie wollen nicht daran denken. Ein Mädchen, das ich in der Highschool kannte, hat mir einmal erzählt, sie würde auch von Häusern träumen, aber sie waren immer stockdunkel, und sie fand den Lichtschalter nicht. Sie hasste diese Träume. Sie war nicht gerade die Klügste.
Meine Häuser sind endlos, sonnendurchflutet und voller Musik und von Gärten und Springbrunnen umgeben. Und aus irgendwelchen Gründen waren sie immer voller Betten. Großer Betten.
Hin und wieder mache ich mir Sorgen, dass in meinem Gehirn nicht genügend Platz ist für die Träume und die Realität, dass ich eine Festplatte mit begrenzter Kapazität bin und eines Tages die Brandmauer zwischen beidem nicht mehr aufrechterhalten kann. Ich frage mich, ob das Senilität ist.
Im Laufe der Jahre entwickelte sich der Verdacht, dass all die Häuser, von denen ich geträumt habe, nur unterschiedliche Flügel ein und desselben großen Hauses sind.
Heute wird mir klar, dass es wirklich so ist.
Wieso habe ich all die Jahre von der Weißen Villa geträumt?
Woher konnte ich wissen, dass sie existiert?
Jetzt, da ich sowieso schon ein bisschen übergeschnappt bin, kann ich ja etwas zugeben: Mein ganzes Leben fürchtete ich insgeheim, dass ich mit der Konzentration auf Körperpflege und Mode … na ja, dass ich eigentlich psychotisch bin.
Man soll gut gekleidete Dummchen niemals unterschätzen.
Die echten Denker der Welt sind nicht gut angezogen. Es ist zeitaufwendig, immer auf dem neuesten Stand der Mode zu sein, sich um Accessoires, die richtige Pflege und Make-up zu kümmern. Es macht viel Mühe, kostet Energie und Konzentration, unaufhörlich glücklich und bestens gepflegt zu sein. Sollte einem so jemand begegnen, müsste man fragen, wovor er davonläuft.
Damals in der Highschool fing ich an zu glauben, ich sei zweipolig. Es gab Zeiten, in denen ich grundlos … mordlustig war – das ist das einzige Wort dafür. Ich habe gelernt, dass ich mich möglichst viel beschäftigen muss, um nicht unter diesem Gefühl zu leiden.
Gelegentlich frage ich mich, ob mir jemand vor meiner Geburt das Skript meines Lebens gezeigt oder zumindest die Highlights verraten hat. Es ist ein Déjà-vu der schlimmsten Sorte. Ich weigere mich zu glauben, dass ich mich für diese Rolle beworben habe.
Ich starre die Weiße Villa an und weiß, wie manche Räume aussehen, dabei ist das unmöglich – ich kann so etwas gar nicht wissen. Oder bin ich ernsthaft verrückt? Geschieht das alles nicht wirklich, weil ich in Wahrheit in einer ausgepolsterten Zelle eingesperrt bin und halluziniere? Wenn ja, dann hoffe ich, dass sie meine Medikation möglichst bald ändern. Was für Zeug ich auch schlucken mag, es wirkt
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