Shadows Lost (Vampirkurzgeschichte)
flüsterte die Stimme erneut. » Ich spreche in Gedanken zu dir. Du musst das Haus verlassen. Wir müssen uns treffen. Momentan halten sich nur Annicius’ Untergebene in dem Haus auf. Sie befinden sich im Erdgeschoss und auf der ersten Etage. «
Konsterniert schaute sie sich noch einmal gründlich um. Sie vertraute der Stimme nicht, noch weniger dem, was sie zu ihr gesagt hatte.
»Wer bist du?«, wisperte sie.
Es kam keine Antwort. Diese Reaktion überraschte Cathrine nicht im Mindesten. Vielleicht hatte sie sich diese Stimme einfach nur eingebildet. Schulterzuckend schlich sie weiter, blieb aber kurz vor der Treppe stehen. Zwei Dinge weckten gleichzeitig ihre Aufmerksamkeit. Die Stimme sprach wieder zu ihr, und auf einem kleinen Holztisch lag ihre Waffe.
» Du musst mir vertrauen. Ich will dir helfen. Wir haben jetzt keine Zeit für Erklärungen. Du musst verschwinden, bevor Annicius zurückkehrt. «
Cathrine schluckte merklich. Der Name löste bei ihr eine Gänsehaut aus. Und dass sie nervös war, stand außer Frage, als es ihr plötzlich wie Schuppen von den Augen fiel. Binnen weniger Augenblicke kehrten ihre Erinnerungen und ihre Angst zurück. Sie wusste wieder, wo sie war und was Annicius und sein verräterischer Bruder Shamash getan hatten. Sie war geradewegs in deren Falle getappt, war überrumpelt worden, und ihr einstiger Meister hatte ihr eine orangefarbene Flüssigkeit injiziert.
Hatte er nicht gesagt, sie würde sich danach an nichts mehr erinnern?
Verwirrter als zuvor, musterte sie die Klinge, wagte aber nicht, sie anzufassen. Shamash hatte Cathrines kostbares Schwert in eine heilige Waffe verwandelt, sodass sie auf beiden Ebenen existierte, und damit einem Schattenvampir unglaublich schwer verletzen, sogar töten konnte. Aber Shamash hatte sie auch verraten, sie direkt ans Messer geliefert. Aus diesem Grund traute sie ihm nicht, vor allem aber der Klinge nicht mehr. So gerne sie sie auch in die Hand genommen hätte. Stattdessen ballte sie ihre Schwerthand zur Faust und schritt auf die Treppe zu. In einem Punkt hatte die unbekannte Stimme nämlich recht, sie musste auf dem schnellsten Weg verschwinden. Über das, was mit ihr geschehen war, konnte sie hoffentlich später immer noch nachdenken.
Wie eine Raubkatze auf der Jagd stieg sie lautlos die Stufen nach oben. Der Schemen einer Tür trennte den Keller vom restlichen Herrenhaus. Sie glitt hindurch und fand sich in der großen Eingangshalle wieder. Auf der gegenüberliegenden Seite führten die Stufen hinauf ins erste Stockwerk. Sie überlegte, ob sie nicht in die Küche schleichen und somit auf demselben Weg das Haus verlassen sollte, wie sie es betreten hatte. Da kehrte die Stimme in ihrem Kopf zurück.
» Sechs Vampire halten sich im großen Saal auf. Fünf in der Küche. Du musst durch den Vordereingang fliehen. «
Nur um in eine weitere Falle zu tappen , schoss es ihr durch den Kopf, und sie verzog dabei das Gesicht zu einer Grimasse.
Andererseits wollte sie so schnell wie möglich weit fort von diesem Haus und dessen Bewohnern. Sie traute der Stimme zwar nicht, entschloss sich aber trotzdem für die vorgeschlagene Richtung. Wachsam schaute sich Cathrine um, und tatsächlich, im Salon sah sie sechs Schemen. Obwohl die Vampire nicht im Schatten weilten, war höchste Vorsicht geboten. Sie beobachtete sie ganz genau. Zu ihrem Glück, oder weil die Vampire sich in Sicherheit fühlten, vielleicht auch beides zusammen, waren sie mit anderen Dingen beschäftigt. Sie nahm ihren ganzen Mut zusammen, und es gelang ihr, ohne ein Geräusch zu verursachen, zur protzigen Vordertür zu schleichen. Von hier trennte sie nichts mehr von der Freiheit. Mit einem letzten Blick über die Schulter vergewisserte sie sich, nicht entdeckt worden zu sein, dann glitt sie durch die Tür hinaus ins Freie.
Am liebsten wäre Cathrine erleichtert stehen geblieben und hätte einmal tief durchgeatmet. Aber sie war ihren Artgenossen immer noch viel zu nahe. Es reichte bereits ein Verdacht und die Vampire hätten ihre Anwesenheit in unmittelbarer Nähe gespürt. Da sie aber offensichtlich nicht ihre Fühler nach ihr ausgestreckt hatten, musste sie augenblicklich weiter.
So schnell ihre Beine sie trugen, rannte sie im Zickzackkurs über das Gelände, immer auf der Hut nach versteckten Schattenvampiren. Doch diese schienen sich ziemlich sicher zu fühlen. Denn wie schon auf dem Weg hinein, gab es auch jetzt keine Wachen. Daran verschwendete sie jedoch keinen Gedanken mehr. Sie musste
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