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Shakespeares Hühner

Shakespeares Hühner

Titel: Shakespeares Hühner Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ralf Rothmann
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Schein unzähliger Lampen und Strahler, viel größer vorkam als von außen. Domartig hoch wölbte sich die Dachkonstruktion zwischen den gekalkten, von Schwalben oder Tauben besudelten Mauern, und an manchen Sparren hingen Kreuze, Heiligenbilder oder Rosenkränze. Katzen schliefen auf den Fenstersimsen; kleine Gabelstapler, mit Mist beladen, kurvten hupend durch die Gänge.
    Die modernen Boxen aus dunklem Holz und verzinktem Stahl, aus denen die meist braunen Traber schauten, waren in vier oder fünf Doppelreihen angeordnet, und nicht die bunt gekleideten Fahrer, die auf den Futtersäcken und Geschirrkisten saßen, Rennzeitungen oder Illustrierte lasen und trotz der Verbotsschilder rauchten – stets waren es die Pferde, die mich zuerst wahrnahmen. Kaum passierte ich eine Gang-Kreuzung oder trat hinter einem Stapel Strohballen hervor, drehten sie ruhig die Köpfe und betrachteten mich mit jenem Ausdruck freundlicher Neugier, der mir schon in der Kindheit weise vorgekommen war und mich, ich weiß nicht warum, auch ein wenig beschämte. Erst dann, dem Blick ihrer Tiere folgend, musterten mich die Menschen.
    Wasserdampf stieg aus einer gekachelten Box, in der eine dicke Frau ein Pferd wusch, und als ich sie ansprach, knickte sie den Schlauch. Das Haar von einer Haube geschützt, trug sie unter dem Latz ihrer dunkelgrünen Anglerhose lediglich einen BH – ein viel zu zartes und auch etwas ausgeleiertes Gewebe, denn kaum hob sie die Hand, um sich den Nacken zu kratzen, drohte die schwere Brust aus der Fassung zu gleiten. Doch das Stutzen der Frau hatte etwas Gemütliches, und sie blickte auf die Wölbung hinunter und murmelte: »Na? Willst du wieder guten Tag sagen?« Dann verschränkte sie die Arme davor und leckte sich etwas Wasser von der Lippe. »Ein Trainer Symalla? Wer soll denn das sein?«
    Das Pferd schnaubte leise, es klang wie ein Seufzen. Den Hals waagerecht, die Mähne triefend, stand es mit geschlossenen Augen in dem langsam sich verflüchtigenden Dampf, und ein hagerer Mann, der außer eines Basecap mit der Aufschrift »Berlin Karlshorst« nur eine Badehose trug und den langen Schweif shampoonierte, hob den Kopf und rief: »Na, den Wolle meint er. Der ist im Hengstgang. Am Silo links.«
    Dort, wo in regelmäßigen Abständen Säcke voller Kraftfutter lagen, waren die Boxen nicht nur höher vergittert als im übrigen Stall; die Stäbe standen auch enger zusammen, und die Türluken waren geschlossen, so dass ich im Vorübergehen kaum mehr als die Silhouetten der Tiere wahrnahm, glänzende Kruppen oder Widerriste, ein Auge unter schwarzbraunem Haar. Größer und dunkler als die Stuten schienen sie zu sein, weniger freundlich in ihrer Neugier, heiserer, wenn sie hinter den Versorgungsschlitzen schnaubten, und sogar ihre Reglosigkeit kam mir geballter vor. Hier und da hingen alte, oft von Spinnweben überzogene Transistorradios an den Gittern, doch die offenbar als Besänftigung gedachte leichte oder klassische Musik – wieder war jenes Klavierstück zu hören – konnte die drohende Stille dahinter nicht übertönen. Pisse, ein schwerer Strahl, pladderte ins Stroh.
    Am Ende des Ganges hingen ein paar Sättel und Helme an der Wand, und obwohl er mir den Rücken zugekehrt hatte, erkannte ich Wolf sofort. Er trug ein kariertes Holzfällerhemd, zerschlissene Cordhosen und schwere Schuhe mit Kappen aus Stahl und hielt ein graues Pferd am Halfter fest, ein großes, angespannt wirkendes Tier. Die Ohrspitzen drehten sich in alle möglichen Richtungen, die Nüstern zuckten und der Schweif peitschte gegen die Mauer.
    Beruhigend klopfte er ihm auf den Hals und fütterte ihn mit irgend etwas aus seiner Tasche. Die mattblonden Haare am Hinterkopf waren lichter und die Schultern massiger geworden, aber insgesamt kam er mir kleiner vor als in der Erinnerung, o-beiniger auch. Seine ehemals schlanken Hände sahen schwielig aus, auf den Nägeln gab es schwarzblaue Flecken, doch in seiner Stimme war immer noch diese raue, von den Mädchen so geliebte Wärme, als er sagte: »Meine Güte! Kein Wunder, dass der lahm wird. Ich hab den Fahrern hundertmal erklärt, dass solche Eisen Mist sind. Das ist ein Schaufler, der braucht keine Stege. Der trabt rückwärts, wenn wir ihn so auf die Bahn stellen. Mach das außen halb rund.«
    Der Angesprochene, ein älterer Mann, der neben dem linken Vorderlauf kniete, schüttelte den Kopf. Er trug einen Lederschurz voller Werkzeuge und betastete den Huf, in dessen Hornkapsel es deutliche Risse

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