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Shakespeares ruhelose Welt

Shakespeares ruhelose Welt

Titel: Shakespeares ruhelose Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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er in relativ billigen Unterkünften, als er jedoch sein Glück gemacht hatte, investierte er in seiner Heimatstadt in Grundbesitz, kaufte New Place, das damals zweitgrößte Haus in Stratford, in dem seine Familie von nun an lebte. 1596, ein Jahr vor dem Hauskauf, starb Shakespeares elfjähriger Sohn Hamnet. Die trauernde Constanze in König Johann , der in dieser Zeit entstand, klagt:
«CONSTANZE: Gram füllt die Stelle des entfernten Kindes,
Legt in sein Bett sich, geht mit mir umher,
Nimmt seine allerliebsten Blicke an,
Spricht seine Worte nach, erinnert mich
An alle seine holden Gaben, füllt
Die leeren Kleider aus mit seiner [Gestalt]…»

    Bishop’s Bible, Titelseite der Quartausgabe von 1569. Zu sehen ist die Königin, thronend zwischen Gerechtigkeit und Barmherzigkeit. 1568 wurde allen Gemeinden vorgeschrieben, eine Bishop’s Bible anzuschaffen.
    Hamnet wurde vermutlich, wie sein Großvater und der Vater auch, irgendwo im Kirchhof von Holy Trinity begraben.

KÖNIG: Gebt ihm den Kelch …
    Schauplatz des letzten Akts von Hamlet ist ein Schloss. Doch selbst in einer Kirche hatte, wie der Stratford-Kelch zeigt, Trinken auf allerhöchstes Gebot unausweichlich auch mit politischem Gehorsam zu tun. Die Geister des alten Glaubens lebten weiter, und als sich Elisabeths Regentschaft einem erbenlosen Ende zuneigte, wurde auch eine alte Furcht wiederbelebt und bestärkt – die vor Nachfolgestreit und Bürgerkrieg. Mit Hamlets Tod erfüllt sich diese Ahnung: Der dänische Thron hat keinen klaren Erben mehr, und ein fremder Eindringling reißt die Krone an sich. Wer immer im Jahr 1600 Hamlet sah, kannte die Furcht, welche die Nation seit über dreißig Jahren beunruhigt hatte und zu der nun immer mehr Anlass bestand. Kapitel Vier untersucht ein Gemälde, das sich, nur ein Jahr nach dem Stratford-Kelch entstanden, der bangen Frage stellt, was geschehen würde, sollte die Königin sterben.



Kapitel Drei
    Gaumenfreuden im Theater
    Eisengabel mit Messinggriff, aus dem Rose Theatre
    I ch denke, die meisten von uns haben eine gewisse Vorstellung davon, was Menschen wohl empfinden werden, wenn sie zum ersten Mal die großen Liebesszenen aus Romeo und Julia verfolgen oder miterleben, wie Macduff in Macbeth von der Ermordung seiner Kinder erfährt. So, wie diese Worte uns heute bewegen, so werden sie das Publikum stets berührt haben – zumindest glauben wir das. In diesem Kapitel nun möchte ich dem nachgehen, allerdings auf nicht ganz so hehrer Ebene, vielmehr fragen, was Shakespeares Publikum während der Vorstellungen gegessen hat. Woran haben die Leute genascht, was geknabbert, als sie die Worte «Sein oder Nichtsein …» zum ersten Mal hörten? Das heutige Publikum zieht mit Schokolade und Popcorn, mit Flaschen und Gläsern beladen in den Kinosaal. Und die Elisabethaner? Der Antwort darauf hat uns die Archäologie ein gutes Stück näher gebracht: mit Grabungen, die das Museum of London in den letzten Jahrzehnten an den Standorten einiger elisabethanischer Theater vorgenommen hat. Gefunden wurden Glas- und Tonscherben in großer Zahl, Obstkerne, Nüsse, Muschelschalen, und in all dem Abfall auch diese elegante Gabel.
    Sie ist langgestreckt, mit rund 22 Zentimetern ein wenig länger, auf jeden Fall deutlich schlanker als Gabeln, wie wir sie benutzen. Sie hat zwei gefährlich spitze Zinken, und man kann sich gut vorstellen, wie jemand, während er oder sie dem Stück zuschaut, Leckereien aufspießt und zierlich zum Mundführt. Mit einer Einweggabel aus Plastik jedenfalls hat diese hier nichts zu tun: Diese Gabel ist aus dauerhaftem Eisen und hatte einst einen eleganten hölzernen Griff – die Stifte, an denen die Holzteile befestigt waren, sind noch zu erkennen. Das Ende des Griffs ist gefasst in einem kleinen, mit Ornamenten versehenen Messingknopf, in dessen Deckel wunderschön graviert die Initialen A. N. zu lesen sind. Man nannte das «sucket fork» (Konfektgabel), denn mit ihr nahm man sich Zuckerwerk, Marzipan, kandierte Früchte, Kekse, Lebkuchen und andere Süßigkeiten aus einer Schachtel. Diese Gabel ist nicht nur besonders elegant, sie sollte auch haltbar sein. Was sie denn auch war, schließlich überdauerte sie einige Jahrhunderte dort, wo am Südufer der Themse das alte Rose Theatre stand. Ausgegraben wurde sie aus den Schichten, die seiner zweiten Phase zugehören, zwischen 1592 und 1603. Man fand sie mit den Mauerresten der inneren Galerie, unter Schutt und Schmutz und allen möglichen anderen

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