Shakespeares ruhelose Welt
verboten. 1562 erklärte ein weiteres Gesetz «gegen Zauberei und Hexerei» die «Anrufung und Beschwörung böser Geister» zum Verbrechen. Doch nur wer Hexerei anwandte, um zu töten, verfiel der Todesstrafe: Wer Personen oder Tieren Schaden zufügte, wer mit Magie nach Schätzen jagte und ungesetzliche Liebe weckte, wurde mit einer Kombination von Kerker und Pranger bestraft.
Nicht alle waren überzeugt, dass es möglich und wünschenswert sei, Hexen zu bestrafen. Reginald Scots 1584 veröffentlichte Schrift The Discoverie of Witchcraft war ein unverblümter und wütender Angriff auf Unsinn und Ungerechtigkeit der Hexenverfolgung:
«Und damit es der Welt dämmern mag, welch trügerisches und ungläubiges Tun, welch entsetzliche und unerträgliche Tyrannei, welch ekelhafte und törichte Absurdität, welch widernatürliche und grobe Unhöflichkeit, welch verderbte und verächtliche Bosheit, welch abscheuliche und barbarische Grausamkeit, welch fauler und falscher Betrug, welch heimtückische und ausgekochte Nachstellung, welch armselige und läppische Auffassung, welch verabscheuungswürdige und teuflische Unterstellung, welch platte und offensichtliche Schurkerei gegen diese alten Frauen betrieben wird, darum will ich die ganze Prozedur der Inquisition darstellen, zur ewigen, unentschuldbaren und offenbaren Schande aller dieser Hexenmacher.»
Derart skeptische und humane Stimmen, sowieso in der Minderheit, waren noch seltener zu hören, nachdem Jakob König von England geworden war. Sein Interesse am Hexenwesen war in beiden Ländern bekannt, nämlich durch sein Buch Daemonologie , das 1597 erschien und 1603 in London nachgedruckt wurde, im Jahr seiner Thronbesteigung. Daemonologie war zum Teil als Widerlegung von Reginald Scots Argumenten gedacht; eine der ersten Amtshandlungen König Jakobs war es, die Vernichtung von Scots Buch anzuordnen. Das nächste englische Hexengesetz, ein Jahr später in Kraft getreten,verschärfte die Strafen und belegte mehr Verbrechen mit der Todesstrafe. Zum ersten Mal wurde der Besitz eines «Vertrauten», eines tierischen Komplizen der Hexerei, zum Verbrechen erklärt, ebenso Grabräuberei, um Körperteile für einen Zauberbann zu gewinnen. Gleichwohl ist Jakob, wie es scheint, im Lauf seiner Regentschaft dem Hexenwesen gegenüber vorsichtiger geworden; anders als zuvor in Schottland, vermied er es in England generell, sich in Prozesse verwickeln zu lassen.
Detail des Schiffmodells, mit dem Monogramm König Christians IV. von Dänemark, dem Schwager Jakobs VI. Anders als in England waren solche Modelle in Dänemark sehr verbreitet.
In einem entscheidenden Aspekt allerdings unterschieden sich die schottischen Hexen von ihren englischen Schwestern. Diese nämlich trieben ihr Wesen im Großen und Ganzen nur im lokalen Umkreis – man könnte von dörflichen Umtrieben sprechen –, sie sorgten für Fehlgeburten im Kuhstall, für Ausschläge bei Kindern, ließen die Sahne sauer werden und so fort. Schottische Hexen dagegen liebten die hohe Politik, waren eher an Verrat und Umstürzen beteiligt, lokale Übeltaten interessierten sie weniger. DerVersuch, das Schiff des Königs zu versenken, war genau das, was von schottischen Hexen zu erwarten war. So ist es denn auch keineswegs überraschend, wenn Shakespeare in Macbeth , einem Stück, das schottische Machtpolitik zum Gegenstand hat, Hexen in den Mittelpunkt rückt. Und indem er das tat, schuf er, was schließlich in der englischsprachigen Welt zum allgemein verbreiteten Hexenbild wurde. Kein Halloween wäre heute vollständig ohne die «geheimen schwarzen Nachtunholde», die in Kesseln rühren und Zaubersprüche singen.
Hexen sind zumeist Freundinnen böser Wetter. Macbeths Trio will sich in «Blitz und Donner oder im Regen» treffen; dass sie sich ins Licht der Sonne wagen, ist eher unwahrscheinlich. Wenn sie ausfliegen, lassen sie Unwetter wüten, Getreidehalme umknicken, Schweine sterben. Als «Unheilsschwestern» ziehen sie «über Meer und Land», alle Häfen, Leith eingeschlossen, sind, wenn sie es wollen, «umstürmt von Wettern». Nur Hexen konnten Winde derart anschwellen lassen, dass sie das Schiff eines gesalbten Königs von seinem Kurs ab- – und diesen fast ums Leben – bringen, und ein ebensolcher Sturm führte dazu, dass unser Schiffsmodell entstand. Schiffe wie dieses, als Votivgabe in einer Kirche präsentiert, sind selten in England, und dies ist eines der wenigen, das erhalten geblieben ist; in Dänemark
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