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Shakespeares ruhelose Welt

Shakespeares ruhelose Welt

Titel: Shakespeares ruhelose Welt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Neil MacGregor
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betrachten – diesmal mit Hexen, denen es darum zu tun ist, den König und die Königin von Schottland in den Fluten zu versenken.

Kapitel Zehn
    Plag’ und Mühe
    Modell eines verzauberten Schiffes
    J ahrhundertelang stachen schottische Schiffe vom Pier in Leith bei Edinburgh aus in See, nahmen durch die gefährliche Nordsee Kurs auf den europäischen Kontinent und auf andere Ziele der erweiterten Welt; auf diese blickten die Schotten von dort aus. Im Herbst 1589 machte sich ein junger Schotte auf die riskante Überfahrt von Leith nach Norwegen und Dänemark; erst im darauffolgenden Frühjahr war er zurück. Dieser junge Mann war Jakob VI., König von Schottland, und sein Schiff geriet in derart fürchterliche Stürme, dass es fast gesunken wäre. Jakob wurde die Vorstellung nicht los, dass diese Stürme mehr waren als das übliche schlechte Wetter Schottlands. Sie konnten nur das Werk böser schottischer Hexen sein:
«ALLE: [Doppelt Plag’ und doppelt Mühe,]
Feuer sprühe, Kessel glühe!»
 
«ALLE: Schön ist häßlich, häßlich schön:
Schwebt durch Dunst und Nebelhöh’n!»
    Gleich in der ersten Szene von Macbeth führt uns Shakespeare drei äußerst gefährliche schottische Hexen vor, und während des gesamten Stückes bringen diese Schicksalsschwestern Unheil über Land und Meer. Dieses bösartige Hexenwesen wird wohl auch der Grund dafür gewesen sein, dass inLeith gegen Ende des sechzehnten Jahrhunderts ein kunstgerecht gefertigtes Schiff ausgestellt wurde, das sich heute im National Museum of Scotland befindet.
    Es ist ein Modell, gerade 65 Zentimeter hoch. Der hölzerne Rumpf ist üppig mit Rot und Gold bemalt. Die Galionsfigur bildet ein verwegen geschnitzter, vergoldeter Löwe, an den Seiten sieht man stämmige Meerjungfrauen ihre Fischschwänze umklammern, daneben Seegötter ihren Dreizack schwingen. Auf den ersten Blick könnte man glauben, es handele sich um ein Spielzeug, doch das Schiff wurde nicht zur Freude von Kindern gefertigt: Es war eine Opfergabe an Gott. Heute dienen Schiffsmodelle normalerweise zur Demonstration bestimmter Schiffstypen, der Zweck dieses Modells aber war offensichtlich, Dank abzustatten – Dank für das Überleben auf See, für die Befreiung von Passagieren und wertvoller Fracht aus den Klauen Stürme brütender Hexen.
    Ein modernes Publikum kann sicher nur schwer nachvollziehen, warum Macbeth, ein erfolgreicher Soldat und König im Schottland des elften Jahrhunderts, so viel auf das gibt, was ihm Hexen erzählen. Die Zuschauer in Shakespeares Theater werden das sehr wohl verstanden haben. Für viele von ihnen waren Hexen Bestandteil des alltäglichen Lebens, wie der Historiker Keith Thomas erläutert:
«Einfachen Dorfbewohnern, Arbeitern, Kleinbauern, Ladenbesitzern galt Hexerei als Fähigkeit, mit irgendwelchen übernatürlichen Mitteln materielle Wirkungen zu erzielen. Hexen wurden unterschieden in gute, die weißen, und in böse, die schwarzen Hexen. Die Weißen heilten Menschen durch Zauber oder Gebet oder durch andere mysteriöse Handlungen. Die Schwarzen dagegen waren solche, die mit ihren okkulten Kräften Schaden bewirkten, meist durch Verzaubern der Tiere, der Lebensgrundlage der Menschen, oder, schlimmer, indem sie Kinder, Männer oder Frauen beeinflussten oder töteten. Aus Angst vor Hexerei entstand eine ganze gelehrte Dämonologie; man beschrieb, wie die schwarzen Hexen durch die Luft zu ihren schwarzen Messen fliegen konnten, beschrieb ihre obszönen Rituale dort, wie sie es mit dem Teufel trieben und, vor allem, mit diesem Verträge schlossen. Mit anderen Worten, Hexen galten als Häretikerinnen. Und es kam, unmittelbar im Anschluss an die Reformation, zu ziemlich intensiven Hexenverfolgungen; alle, Katholiken wie Protestanten, folgten dem Antrieb, die Christianisierung der breiten Bevölkerung zu vollenden. Die Folge war, dass sich der Blick für Häresien verschärfte. Wenn sich die Menschen also Zauberern und anderem zwielichtigen Volk zuwandten, dann musste etwas dagegen unternommen werden. Das galt vor allem für Länder, in denen Kleriker noch großen Einfluss hatten; Schottland ist ein gutes Beispiel dafür.»

    Titelseite des Buchs Daemonologie, in forme of a dialogue von Jakob VI. und I., London 1603. Das Buch über das Hexen wesen zeigt, wie ernst ihm das Thema war. Zuerst in Edinburgh veröffentlicht, erschien direkt nach seiner Inthronisierung die Londoner Ausgabe.
    Im Jahr 1542 wurde in England Hexerei zum ersten Mal gesetzlich

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