Shakespeares ruhelose Welt
ist.
«ALLE: [Doppelt Plag’ und doppelt Mühe,]
Feuer sprühe, Kessel glühe!»
Jakob überlebte den Anschlag der Hexen, doch lagen weitere Fährnisse in der Luft, die, in seltsamer Koinzidenz, ebenfalls Teil der nationalen Folklore wurden. Im nächsten Kapitel droht Jakob kein satanisches Ertrinken, sondern ein Komplott mit Schießpulver.
Kapitel Elf
Verrat und Verschwörung
Ein Manual der Königsmörder
K önigsmord ist, von Anfang bis Ende von Shakespeares Karriere, sowohl das äußerste Verbrechen wie auch ungreifbares Rätsel. Richard II. wird auf der Bühne ermordet. Indem er seinen Bruder Clarence ersticht und ertränkt, dann den jungen König und dessen jüngeren Bruder erdrosselt, wird der bucklige Herzog von Gloster zu König Richard III. Und in Der Sturm verschlägt es Prospero, den Herzog von Mailand, auf eine Insel, weil sein machthungriger Bruder eine Verschwörung angezettelt und ihn samt Tochter Miranda zur Flucht in einem kaum seetüchtigen Boot gezwungen hat (siehe Kapitel Neun). Königsmord ist Katastrophe und geläufiges Geschehen zugleich. Shakespeares großer lyrischer Improvisator zu diesem Thema ist Richard II.:
«KÖNIG RICHARD: Ums Himmels willen, laßt uns niedersitzen
Zu Trauermären von der Kön’ge Tod: –
Wie die entsetzt sind, die im Krieg erschlagen,
Die von entthronten Geistern heimgesucht,
Im Schlaf erwürgt, von ihren Frau’n vergiftet,
Ermordet alle; denn im hohlen Zirkel,
Der eines Königs sterblich Haupt umgibt,
Hält seinen Hof der Tod: da sitzt der Schalksnarr,
Höhnt seinen Staat und grinst zu seinem Pomp;
Läßt ihn ein Weilchen, einen kleinen Auftritt
Den Herrscher spielen, drohn, mit Blicken töten;
Flößt einen eitlen Selbstbetrug ihm ein,
Als wär’ dies Fleisch, das unser Leben einschanzt,
Unüberwindlich Erz; und, so gelaunt,
Kommt er zuletzt und bohrt mit kleiner Nadel
Die Burgmau’r an, und – König, gute Nacht!»
Nachdem er ein Historienstück Shakespeares gesehen hat, wird wohl niemand mehr glauben, das Leben an der Spitze sei einfach.
Regierende leben stets gefährlich. In unserem demokratischen Zeitalter mögen sie schlicht durch Wahlen aus dem Amt gedrängt werden. Doch während langer historischer Zeiten und in vielen Teilen der Welt bringen Menschen, die einen neuen Regenten wollen, den alten einfach um. Der Tod eines Regierenden ist niemals nur ein persönliches Drama: Da es um die nationale Sicherheit geht, ist der gesamte Staat betroffen. In Shakespeares Richard II. erläutert der Bischof von Carlisle sehr deutlich, was mit England geschehen wird, sollte der aufständische Bolingbroke Erfolg haben und König Richard, den gottgewählten Monarchen, vom Thron vertreiben (was jener dann auch tut):
«CARLISLE: … so laßt mich prophezein: –
Das Blut der Bürger wird den Boden düngen,
Und ferne Zukunft stöhnen um den Greu’l.
Der Friede wird bei Türk’ und Heiden schlummern,
Und hier im Sitz des Friedens wilder Krieg
Mit Blute Blut und Stamm mit Stamm verwirren.
Zerrüttung, Grausen, Furcht und Meuterei
Wird wohnen hier, und heißen wird dies Land
Das Feld von Golgatha und Schädelstätte.
Oh, wenn ihr Haus so gegen Haus erhebt,
Es wird die kläglichste Entzweiung sein,
Die je auf die verfluchte Erde fiel:
Verhütet, hemmt sie, laßt es nicht so sein,
Daß Kind und Kindeskind Weh über euch nicht schrein!»
Auch in der Welt jenseits des Theaters wurden die Untertanen Elisabeths I. so wortreich wie häufig an die Gefahrenpolitischer Gewalt erinnert: Das besorgten regelmäßige Berichte über drohende Gefahren für Krone und Staat. Während der gesamten Regentschaft Elisabeths folgte Verschwörung auf Verschwörung: 1570 das Ridolfi-Komplott (siehe Kapitel Vier), 1583 das Throckmorton-Komplott, 1586 das Babington-Komplott, 1594 das Lopez-Komplott. In einer Zeit lange vor den modernen Medien waren die Nachrichten von solchen Verschwörungen undurchsichtiger, schwerer zu überprüfen und insofern umso effektvoller. Sie zirkulierten in Flugschriften und Holzschnitten, in Bänkelliedern und Predigten, in Hausierergeschichten und, nicht zuletzt, als Gerüchte.
Friedrich von Hulsen, George Carleton, Bischof von Chichester , Stich von 1627.
Shakespeare erwähnt nicht eine der Verschwörungen, über die seine Zuschauer zu Zeiten auf dem Weg ins Theater diskutiert haben werden, doch einer seiner Zeitgenossen, nur wenige Jahre älter, hatte ein ganzes Buch darüber geschrieben. Auch er war ein mahnender Bischof, dem darum zu tun war, seine
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