Shakespeares ruhelose Welt
dagegen waren sie verbreitet, man kennt dort heute etwa 1300 Beispiele. Das gibt uns einen wertvollen Hinweis, denn in das Schiff geschnitzt ist ein großer goldener Buchstabe, ein «C», das die Zahl vier umschließt – das Monogramm Christians IV., eines dänischen Königs aus dem sechzehnten Jahrhundert. Das Modell ist tatsächlich ein dänisches Kriegsschiff, voller Kanonen, und es befindet sich heute nur deshalb in Schottland, weil der junge Jakob seine Rückfahrt über die stürmische Nordsee in jenem Frühjahr 1590 in Begleitung seiner ihm gerade angetrauten Braut antrat, Prinzessin Anne von Dänemark, Christians Schwester.
Am 20. August 1589 waren Jakob und Anne verheiratet worden, der Bräutigam allerdings war abwesend und musste vertreten werden. Ort der Zeremonie war Schloss Elsinore, auf dessen Bastionen Hamlet der Geist seines Vaters erschien. Es war also ein Ort, an dem viele erregte Geister am Werk waren. Diese Heirat zog sich, von jener ersten Zeremonie bis zur Ankunft des Paares in Schottland, schließlich über zehn Monate hin. Zunächst trieben böse Stürme Annes Schiff und ihre Begleitflotte, die eigentlich Schottland hätten in fünf Tagen erreichen sollen, Richtung Norwegen;fünfzig Tage dauerte es, bis sie nach Oslo gelangte, wo man entschied, dass die Weiterreise erst im Frühjahr stattfinden könne. Als er davon hörte, stach Jakob, vermutlich die leichtsinnigste Tat seines Lebens, am 20. Oktober in Leith in See, nach Verzögerungen durch weitere Stürme. Am 19. November erreichte er endlich Oslo, wo das Paar am 23. November in persona verheiratet wurde. Dass man jetzt eine Rückreise riskierte, kam nicht in Frage, das Paar fuhr nach Dänemark und blieb dort den Winter über. Am 21. April 1590 wurden die Segel zur Überfahrt nach Schottland gesetzt. Die Stürme, die das königliche Paar nun heimsuchten, wurden von den Dänen sofort als Hexenwerk interpretiert: Sechs dänische Hexen wurden angeklagt und hingerichtet.
Auch in Schottland wurde der Sturm, der das königliche Schiff vor Leith fast hätte kentern lassen, den Hexen zugeschrieben. Es begannen Untersuchungen – eine regelrechte Hexenjagd –, und im November 1590 legte Agnes Sampson aus North Berwick bei Edinburgh vor dem König in Holyrood ein schockierendes Geständnis ab. Ein Kreis schottischer Hexen habe sich gegen ihn verschworen und einen Vertrag mit dem Teufel geschlossen. Unter der Folter gab sie schließlich zu, was sie getan hatte:
«Zu jener Zeit, in der seine Majestät in Dänemark weilte, … nahm sie eine Katze und taufte sie, anschließend band sie die wichtigsten Teile eines toten Mannes und einige Gelenke seines Körpers an jeden Teil dieser Katze, und in der folgenden Nacht wurde besagte Katze von allen diesen Hexen, die in ihren Körben oder Sieben segelten, mitten ins Meer befördert, … und so ließen sie besagte Katze direkt vor der Stadt Leith in Schottland. Und dies getan, erhob sich ein Sturm in der See, wie größer bislang keiner gesehen ward; welcher Sturm die Ursache war, dass ein Schiff unterging. … Es wird bekannt, dass besagte getaufte Katze die Ursache war, dass seiner Majestät des Königs Schiff, als er herüber von Dänemark kam, gegen den Rest seiner Schiffe einen ungünstigen Wind hatte …»
Während ihres Prozesses erklärte Agnes Sampson, allein ihr christlicher Glaube habe Jakob und Anne vor dem Ertrinken gerettet; er allein habe den Hexen entgegenwirken können: «Seine Majestät wäre niemals sicher vom Meer gekommen, wäre sein Glaube nicht stärker gewesen als ihre Machenschaften».
Renold Elstrack, Jakob I. und Anne von Dänemark , Stich, um 1610.
Und das ist die wahrscheinlichste Erklärung für unser Schiffsmodell: Eine Opfergabe im dänischen Stil, für die protestantische Kirche von Leith, dort aufgestellt, um Gott für die sichere Errettung aus dem Sturm und vor dem Zauber gegen den schottischen König und seine neue dänische Königin zu danken. Dafür spricht auch, dass die Kirche, in der das Schiff ausgestellt wurde, nicht weit entfernt ist von der Stelle, an der die geständige Hexe Agnes Sampson die getaufte Katze ins Meer geworfen haben wollte. Ein Schiff, verziert mit Meerjungfrauen und als Antidot gegen Hexen, ist nicht das, was man für den üblichen Schmuck schottischer Kirchen halten würde: Doch es diente auch nicht als Zier, sondern als Ausweis für Gottes Sieg über die Magie. Wir können noch heute sehen, wie mächtig es den Gläubigen erschienen
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