Shaman Bond 04 - Liebesgrüsse aus der Hölle
dann?«
»Die Matriarchin ist tot, William«, meinte Rafe.
»Ach ja, schon gut, ich werde später mit ihr reden. Weißt du, ich bin sicher, dass ich erst kürzlich etwas über die Apokalyptische Tür gelesen habe.«
Er trottete davon und begann, in einer alten Teekiste voller Papiere herumzuwühlen.
»Wie geht es ihm?«, fragte ich Rafe leise. »Ich meine, wirklich?«
»Nicht gut«, gab Rafe zu. »An einigen Tagen besser als an anderen. Er hat immer noch einen brillanten Verstand, wenn der arbeitet. Aber zweifellos haben die Jahre in diesem Irrenhaus ihre Spuren in ihm hinterlassen.«
»Und es gibt keine Möglichkeit festzustellen, welchen Schaden das Herz in seinem Verstand angerichtet hat, bevor er aus dem Herrenhaus floh.« Ich runzelte die Stirn. »Ich glaube, wir müssen das Geld für einen anständigen Telepathen aufbringen und ihn mal in Williams Kopf aufräumen lassen.«
»Ich habe das mehr als einmal vorgeschlagen, aber die Matriarchin war sehr entschieden«, meinte Rafe. »Sie wollte es nicht erlauben. Scheinbar weiß William viel zu viel über die Familie, zu viele kleine schmutzige Geheimnisse. Dinge, die ein Außenseiter nicht wissen darf. Selbst wenn William sich nicht an sie erinnert. Wir haben doch selbst ein paar Telepathen in der Familie.«
»Du willst mich wohl auf den Arm nehmen?«, fragte ich. »Von dieser Bande würde ich mir nicht einmal mein Gewicht vorhersagen lassen. Ich würde sie sicher nicht in einem Verstand herumtrampeln lassen, in dem schon so viel angerichtet wurde wie in Williams. Sie finden vielleicht nie wieder da raus. Der Waffenmeister sagte, er wolle so etwas wie einen Verstandes-Scanner entwickeln, aber seine Methoden sind nun auch nicht gerade subtil.«
»Man muss William nur etwas Zeit geben«, sagte Rafe. »Er wird sich schließlich erholen.«
»Was kannst du mir über einen vogelfreien Drood namens Tiger Tim erzählen?« Ich wechselte absichtlich das Thema. »Sein Name tauchte in Verbindung mit der Auktion in L. A. auf und - ganz überraschend - auch im Zusammenhang mit Doktor Delirium.«
William sah plötzlich von seiner Teekiste auf. »Da ist doch mal ein Name aus der Vergangenheit! Timothy Drood, ja. Widerliches Kind. War immer nett, wenn er etwas wollte, aber er kam immer zuerst, dann erst die anderen. Was wir zu meiner Zeit eben ein schwarzes Schaf nannten. Ich kann nicht glauben, dass ihn noch niemand umgebracht hat, wenn auch nur aus Prinzip. Das Letzte, was ich von ihm hörte, war, er halte sich in Südamerika auf. Peru?«
»Dann ist er umgezogen«, sagte Rafe. »Immer kurz davor, rausgeworfen zu werden, wie üblich. Er hat sich derzeit tief im Amazonasdschungel verkrochen.«
»Die gleiche Gegend wie Doktor Delirium«, meinte ich.
»Naja, technisch gesehen schon«, erwiderte Rafe. »Aber der Urwald am Amazonas bedeckt ein schweinegroßes Areal. Nachbarn sind sie nicht gerade.«
»Doktor Delirium und Tiger Tim«, meinte William. »Ein Team, das man so nicht erwartet hätte! Dieser Schrecken, dieser Horror!« Er begann haltlos zu kichern, wedelte mit einer Hand und wandte sich wieder seiner Teekiste zu. Er griff sich etwas, studierte es eingehend und richtete sich dann mit einer staubigen Akte triumphierend auf. »Hier ist es! Ich wusste, es war irgendwo ganz oben. Die Zitter-Akte. Sorgfältig kommentiert in der Handschrift des Autonomen Agenten. Und laut diesem Post-it hier auf dem Einband, das vom Drood-Aufräumkommando stammt, hat Alexander King diese besondere Akte in einer verschlossenen Kassette in einem Wandsafe aufbewahrt. Also ist sie sicher einen Blick wert.« Er öffnete die Akte und blätterte sie schnell durch. »Ja. Das ist alles ziemlich schlimmes und mieses Zeug, in der Tat. Eine Menge übernatürliche und superwissenschaftliche Waffen und Geräte, jedes von ihnen von einer ganzen Reihe von internationalen Verträgen gebannt. Die Sprechende Pistole. Das Überschreckgerät, Mephistos Menuett. Alles Dinge, mit denen sich keiner, der bei Verstand ist, befassen würde.«
»Hat Alexander King diese Dinge besessen?«, fragte ich und streckte die Hand nach der Akte aus. Auf einmal tat es mir wieder leid, dass ich meine Absicht, Place Gloria in die Luft zu jagen, doch nicht verwirklicht hatte. Wie ich Walker gegenüber bemerkt hatte, wäre es wirklich besser gewesen. Doch William zog fort und bedachte mich mit einem finsteren Blick. Ich hob meine Arme in einer nachgiebigen Geste. »Ich meine ja nur. Wenn solche Sachen noch irgendwo herumliegen,
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