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Shana, das Wolfsmädchen

Shana, das Wolfsmädchen

Titel: Shana, das Wolfsmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Zeit nicht mehr.«
    »Ja, die Großeltern. Erinnerst du dich?«
    »Kaum noch.«
    »Sie waren viel auf Reisen, hielten sich für etwas Besseres, glaube ich. Inzwischen liegen beide auf dem Friedhof. Lelas Eltern waren richtige ›Urbans‹. Sie kamen nur in den Ferien nach Beaver Creek. Jetzt lebt die Mutter nicht mehr und der Vater wohnt in Clinton.«
    »Warum nicht hier?«
    »Er soll krank sein. Das Haus ist nicht das Richtige für ihn. Zu abgelegen.«
    Langsam fielen mir wieder die alten Geschichten ein.
    »War die Großmutter nicht Künstlerin?«
    »Doch, Malerin. Eine berühmte sogar. Sie lebte in New York und ein paar Jahre auch in Europa.«
    »Du weißt eine ganze Menge«, sagte ich zu Alec.
    Er kniff ein Auge zu.
    »Ich nicht, aber meine Mutter!«
    »Ach so!«
    Ich brach in Lachen aus. Fiona, Alecs Mutter, arbeitete beim Telefonamt und wusste immer alles über jeden. Melanie hatte mal behauptet, halb lachend, halb entrüstet, dass Fiona sämtliche auswärtige Gespräche mit anhörte.
    »Seit wann ist Lela wieder hier?«, fragte ich.
    »Seit zwei Wochen oder so. Jetzt tut es mir Leid, dass ich hier nicht mehr zur Schule muss. Eine sexy Lehrerin, die hat mir immer gefehlt. Man hat sie doch täglich vor der Nase.«
    »Sie sieht wirklich gut aus«, sagte ich.
    »Ach, nur von weitem.« Alec zog die Schultern hoch.
    »Sie ist mindestens vierzig.«

3. KAPITEL
    Dann begann das Tanzfest. Zuerst bildeten alle Gruppen einen Umzug, der sich zum Klang der Trommeln zu einem großen Kreis formte. Wenn Musik ertönte – egal, welche –, bekam ich immer eine Gänsehaut. Irgendwie glaubte ich, dass die Musik das Wichtigste war, was es gab. Ich spürte die Klänge buchstäblich bis ins Knochenmark. Aber es ging mir nicht ums Tanzen, um die rhythmische Bewegung zur Musik. Tanzen würde ich auch, aber nur zum Vergnügen. Nein, Musik war etwas anderes für mich, ich konnte es nicht beschreiben. Oder vielleicht doch: Es war, als ob ich eins mit der Musik wurde. Und das Merkwürdige: Ich spürte genau, wenn der Rhythmus stimmte und wenn nicht. Manchmal kam es vor, dass Sänger eine falsche Note sangen oder die Trommler aus dem Takt gerieten. Dann fühlte ich einen feinen Schmerz, als ob mich innerlich eine Nadel stach. Musik muss genau stimmen, dachte ich, das spürt man doch, oder? Nein, die meisten spürten es nicht.
    Und jetzt ertönte die Trommel und die erste Frauengruppe tanzte. Da – schon wieder die Gänsehaut! Die zwei Trommler waren Brüder und perfekt im Rhythmus. Der Gesang schwoll an. Keine falsche Note, diesmal! Ich sang innerlich mit. Ein alter Mann gab mit einer Kürbisrassel den Takt an. Über dem Chor erhob sich die Stimme der alten Rosalie, unserer besten Vorsängerin. Es war eine herbe, erdige Stimme, fast die Stimme eines Mannes, und sie folgte genau dem Rhythmus. Mein Blick fiel auf Lela Woodland. Wie schön sie war! Sie setzte den linken Fuß seitlich vor, ging leicht in die Knie, zog dann den rechten Fuß in einer fließenden Bewegung nach; sie schien die Erde kaum zu streifen und doch war ihr Tanz voller Energie. Ihre Fransen flatterten, die beiden Adlerfedern wippten im Wind. Wenn ich sie ansah, spürte ich ein besonderes Schwingen in mir. Ihr Tanz war wie Musik und ich empfand ein starkes Glücksgefühl. Bevor sich die Paare bildeten, waren jetzt die Männer an der Reihe. Alec war unter ihnen, funkelnd wie ein farbenprächtiger Vogel, wobei er die Flagge unserer Schule schwenkte. Er tanzte sehr aufrecht, fast steif, seine Beine stampften wie Keulen: ein Kreisel wirbelnder Bewegungen. Dabei spürte ich plötzlich ein leichtes Unbehagen: Alec war nicht völlig im Takt! Eigentlich schwachsinnig, dass ich mich von solchen Lappalien ablenken ließ. Aber ich konnte nichts machen, es war eben so.
    Nach dem Tanzfest wusch er sich die Farbe aus dem Gesicht und vertauschte sein Kostüm gegen Jeans. Dazu trug er ein T-Shirt mit der Aufschrift »Skinanarchist«.
    »Toll!«, meinte ich.
    »Ich interessiere mich eben für Politik. Fahren wir?«
    »Wohin?«, fragte ich.
    »Zum Ellison’s Lake«, sagte Alec. »Nach dem Powwow, da ist man in besonderer Stimmung. Als ob man Flügel hätte. Ehrlich, das ist so. Vielleicht haben wir eine Vision?«
    »Du bist auf den Kopf gefallen«, sagte ich.
    Er lachte und ich lachte auch.
    »Du brauchst einen Helm«, sagte Alec. »Nimm meinen.«
    »Und du?«
    »Macht mir nichts ohne.«
    Ich streifte mir den Helm über. Er kam mir schwer und beengend vor und das Glas war zerkratzt. Ich

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