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Shana, das Wolfsmädchen

Shana, das Wolfsmädchen

Titel: Shana, das Wolfsmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Boutiquen, Restaurants und Cafés, riesigen Werbetafeln und Wohnhäusern aus roten Backsteinen. Es war feucht-kalt, alle Leute waren warm angezogen, ich fror erbärmlich. Zum Glück kam ich an einem Secondhandladen vorbei, wo ich für wenig Geld eine Strickjacke und Turnschuhe in meiner Größe fand. Bald kam der Bus. Durch Straßen, von Fahrzeugströmen und Lärm erfüllt, fuhr ich dem Stadtkern entgegen. Bald hob sich der Nebel, eine blasse Sonne beschien die Wolkenkratzer und die große Kuppel der Weltausstellung schimmerte im Licht.
    Die Musikhochschule befand sich in der Nähe der Universität, in einem großen Park. Kreischende Möwenschwärme gaben der Luft etwas Lebendiges, Schwirrendes. Hinter dem tiefblauen Meeresarm mit seinen Frachtern, Segelschiffen und Fischkuttern leuchteten smaragdgrüne Berge. Studenten kamen in Gruppen vorbei, lachend und lärmend, alle gut angezogen, wohlgenährt. Ich kam mir klein, ungepflegt und schäbig vor.
    Die Musikhochschule war ein imposantes, mit Efeu bewachsenes Backsteinhaus. In den Fensterscheiben spiegelten sich blaue Himmelsstreifen. Eine Steintreppe führte zu einem mächtigen, mit Metallbeschlägen geschmückten Eingang. Dahinter waren Glastüren, die sich lautlos teilten. In der großen Halle kamen und gingen Studenten. Scheu ging ich weiter, einen Gang entlang, bis ich eine Tür mit der Aufschrift »Sekretariat« fand. Dort klopfte ich und trat ein. Hinter einem Schreibtisch saß eine junge blonde Frau und telefonierte, nickte dabei heftig mit dem Kopf. Ich stand da wie eine Salzsäule und fror.
    Plötzlich schaute die Frau auf.
    »Hallo, kann ich dir helfen?«
    Schemenhaft registrierte ich, dass sie nicht mehr telefonierte.
    »Oh, ja …«
    Ich starrte sie an. Meine Gedanken waren plötzlich wie ausgelöscht.
    Sie hob die Brauen mit spürbarer Ungeduld. Ich fühlte mich verstoßen und unerwünscht.
    »Nun?«, fragte sie.
    Ich antwortete mit trockener Kehle.
    »Kann ich bitte … Professor Castaldi sehen?«
    »Wie heißt du?«
    »Shana Reed.«
    »Professor Castaldi unterrichtet gerade. Soviel ich weiß, hat er heute einen anstrengenden Tag. Hast du einen Termin mit ihm abgemacht?«
    Meine Wangen wurden heiß. Ich entsann mich, dass er mich in seinem Brief um einen Anruf gebeten hatte. Bei dem elenden Durcheinander hatte ich nicht mehr daran gedacht.
    »Nein, aber …«
    »Du kannst doch nicht einfach hier hereinplatzen und den Professor treffen wollen!«, schnitt sie mir tadelnd das Wort ab. »Wenn alle Studenten das machen würden …«
    »Aber ich habe einen Brief von ihm!«
    Sie beugte sich leicht vor.
    »Einen Brief von Professor Castaldi?«
    Ich wühlte umständlich in meinem Ausschnitt, brachte die kleine Ledertasche zum Vorschein und zog den Brief hervor. Er war zerknittert, fast unleserlich, mit Blaubeersaft und braunen Flecken verschmiert, die Blut sein konnten. Beschämt faltete ich den Brief auseinander und reichte ihn der Frau, die ihn mit spitzen Fingern nahm und las. Als sie mich wieder anblickte, zeigte ihr Ausdruck zumindest eine Andeutung von Freundlichkeit. Sie drückte eine Reihe Knöpfe auf dem Telefon. Shana Reed sei da, offenbar eine Schülerin von Lela Woodland. Ja, der Professor wollte sie sehen. Sie lauschte eine Weile, dann legte sie den Hörer ab.
    »Du kannst auf den Professor warten. Es wird aber sicher noch eine Stunde dauern. Willst du später zurückkommen?«
    »Nein, ich warte lieber«, flüsterte ich.
    Sie nickte.
    »Du kannst dich draußen hinsetzen.«
    Im Gang standen einige Studenten neben der Kaffeemaschine und ließen sich eine Tasse einlaufen. Der Kaffee kostete nichts. Ich holte mir eine Tasse und setzte mich abseits. Das Magermilchpulver war am Boden des Gefäßes festgeklebt ich versuchte es mit einem Löffel loszukratzen. Alleine saß ich an einem Tisch, rührte in dem Kaffee und trank einen Schluck.
    Hassenswerte Müdigkeit, ich kam von ihr nicht los! Die Schwere in mir wuchs. Mein Kopf, meine Glieder, alles fühlte sich bleiern an. Die Studenten lachten und unterhielten sich. Ich sah ihre Münder, die sich bewegten, aber kein Ton erreichte mich, kein Ton, kein Geräusch, nichts. Ich schloss die Augen.
    Als mein Kopf nach hinten gegen die Wand fiel, schlief ich bereits.
    Auf einmal fühlte ich mich leicht an der Schulter geschüttelt. Ich fuhr zusammen, richtete mich auf. Mein Nackenwar steif und schmerzte. Wie lange saß ich schon da? Ein paar Minuten, eine Stunde? Ich blinzelte benommen. Der Schleier vor meinen

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