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Shana, das Wolfsmädchen

Shana, das Wolfsmädchen

Titel: Shana, das Wolfsmädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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verzweifelt. »Hör doch, hör doch! Bitte, bring ihn nicht um!«
    Wölfe gingen nicht auf Menschenjagd, aber Lela hatte meine Angst gerochen, die drohende Gefahr vernommen. Dieser Mensch hatte mich bedroht. Eine Wölfin, die ihre Welpen verteidigt, kennt keine Gnade. Aber Lela vernahm das Bitten in meiner Stimme. Weil ich sie anflehte, gehorchte sie. Brummend ließ sie von ihrem Opfer ab, wich zurück. Ihre gestrafften Muskeln bebten, die Augen glänzten im eisigen Gelb. Noch immer war ihr Nacken gesträubt, die Lefzen über die Zähne gezogen.
    Eine heisere Klage drang aus der Kehle des Holzfällers. Schauer durchschüttelten seine zerbissenen Glieder. Er öffnete die Augen, sah mich neben Lela stehen, die Hand auf ihrem Rücken, und auf ihn hinunterblicken. Er verzog mühsam den Mund und verlor das Bewusstsein. Er war scheußlich zugerichtet, doch seine Verletzungen schienen nicht lebensgefährlich. Seine Schutzkleidung hatte ihn vor dem Schlimmsten bewahrt. Er hatte sein Handy dabei und konnte um Hilfe rufen. Man würde ihn zu einem Arzt bringen, der seine Wunden flickte. Ich empfand kein Mitleid mit ihm, nicht einen Funken. Er hatte seine Strafe verdient. Aber ich hatte bereits einen Diebstahl auf dem Gewissen. Ein Mord war eindeutig zu viel.
    »Komm!«, sagte ich zu Lela. »Wir gehen.«
    Ich hob meinen Rucksack auf, machte mich auf den Weg. Die hinkende Wölfin trabte dicht hinter mir her. Und an diesem Tag wich sie nicht mehr von meiner Seite. Sie kannte die Bosheit der Menschen und wollte mich vor Gefahren beschützten.

25. KAPITEL
    Seit Stunden regnete es, die Temperatur war gesunken. Der Regen kam vom Meer, brachte drückende Feuchtigkeit. Mühsam stolperte ich über Wurzeln, über lockere Erde voran. Die Wolken schienen nicht oben am Himmel zu sein, sondern im Wald. Sie wanderten mir entgegen, wehten zwischen den Bäumen wie Dampf. Vögel kauerten bewegungslos in den Zweigen. Das Gelände unter meinen Füßen senkte sich mal mehr, mal weniger, dann wieder überhaupt nicht. Ich hatte das Gefühl, dass die Welt auf die Größe einer weißen Kugel einschrumpfte. Die durchnässten Kleider klebten an meiner Haut. Die Kälte nahm zu. Ich klapperte mit den Zähnen, der Regen prasselte auf meinem Kopf, Haarsträhnen hingen mir in die Augen. Doch ich hatte feine Ohren, sodass ich nicht völlig die Orientierung verlor. Allmählich mischten sich ferne, brausende Geräusche in das Prasseln des Regens. Ich blieb stehen, lauschte angestrengt. Die Autobahn! Bald war ich am Ziel meiner Reise. Frierend stapfte ich weiter. Die Wölfin, wusste ich, war nicht weit. Seit der Sache mit dem Holzfäller waren zwei Tage vergangen und Lela blieb stets in meiner Nähe. Ihr Fell schützte sie vor Nässe, das Wasser floss über die drei Schichten ihrer langen Haare wie über einem steilen Schrägdach ab. Doch ich war, trotz meines Parkas, nass bis auf die Knochen, fühlte mich schwach und apathisch. Jeder Schritt kostete mich unendliche Anstrengung und musste trotzdem getan werden. Endlich gewann ich den Eindruck, dass der Wald weniger dicht war. Unbeholfen wanderte ich an Felsbrocken vorbei, als Wind aufkam und der Regen nachließ. Alles geschah in wenigen Minuten: die weißen Nebelschichten hoben sich, gaben in der Ferne die schiefergraue Meeresfläche frei, die Reihen der Hochhäuser, die Kräne.
    Über der Meeresenge waren jetzt die Wolken zitronengrün, die Sonne kam durch. Ich erkannte sogar, schmal wie weiße Bleistifte, einige große Ozeandampfer. Eine gewaltige Brücke führte über die Autobahn, die eine große Schleife stadteinwärts zog.
    Soweit das Auge reichte, funkelte die Lichterkette der Scheinwerfer. Jeder Wagen tauchte unter die Brücke mit dem gleichen hastigen Zischlaut. Diese Brücke musste ich jetzt überqueren und gleich dahinter begann Wohngebiet. Traurig dachte ich an Lela; weiter konnte sie nicht gehen. Die Stunde des Abschieds war gekommen, viel schneller und plötzlicher, als ich es erwartet hatte. Aber ich musste mich von ihr trennen. Ich war inzwischen überzeugt, dass ihr Rudel weit weg war, aber vielleicht fand sie andere Wölfe, die sie aufnahmen? Solange Einzelgänger dem Leitwolf gehorchten und den Welpen kein Fleisch stahlen, wurden sie zugelassen. Lela, dachte ich, würde gut auf die Jungen aufpassen, während das Rudel jagte! Aber jetzt musste ich ihr erklären, dass wir auseinander gingen. Ich musste es ihr ganz deutlich machen, es sie fühlen lassen.
    »Lela!«, rief ich. Und noch einmal:

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