Shane - Das erste Jahr (German Edition)
einen Mantel.“ Sie griff nach einer anderen Tüte und hielt sie Shane hin. „Schau, ob die dir gefallen.“
Shane nahm die Tasche an sich und blickte hinein. Stiefel. Weiße Fellstiefel. Wunderschön. Sie grinste. „Danke, Mama.“
Shane drehte sich um und ging die Treppe nach oben. Die Mutter blickte ihr nach und sammelte dann die Tüten zusammen.
„Was war das denn?“, fragte der Vater.
„Was?“
„Seit wann darf sie bestimmen, was du kaufst?“
Die Mutter schüttelte nur den Kopf.
„Gertie!“
„Was! Wenn zurzeit der einzige Kontakt zwischen mir und meiner Tochter so aussieht, dass wir über Klamotten kommunizieren, dann werde ich losfahren, und ihr einen verdammten Mantel holen! Jeden Tag, wenn es nötig ist!“
Der Vater schwieg.
Die Mutter bückte sich und hob einen Schuhkarton auf. „Es reicht schon, dass ich Mark verloren habe.“
Der Vater strich Timmy über den Kopf. „Wollen wir noch ein bisschen Schlitten fahren gehen?“
„Ja!“ Der Junge sprang auf. „Ich hole Shane.“
„Nein, nein Timmy.“ Der Vater schüttelte den Kopf. „Shane hat keine Zeit heute.“ Er blickte die Treppe hinauf. „Los, zieh dich an!“
Mark erhob sich. Er räumte das Geschirr zusammen. Der Vater und Timmy gingen hinaus und die Mutter blickte ihnen hinterher.
„Mama, du hast mich nicht verloren.“, sagte Mark.
Sie drehte sich um und schaute ihren Sohn an. „Du bist abgehauen.“
„Und jetzt bin ich wieder da.“
„Was ich immer noch nicht verstehe.“
„Mama!“
„Schon gut.“
„Guten Tag. Setzen sie sich doch.“
Die Mutter hielt verkrampft ihre Tasche in den Händen, der Vater schob sie zu dem Stuhl, der vor einem Schreibtisch stand.
Die Mutter blickte argwöhnisch auf die Frau. Dieser sollte sie ihre Tochter anvertrauen?
Sie kannte sie doch gar nicht, und außerdem sah sie viel zu jung aus, wie alt mochte sie sein? Fünfundzwanzig, sechsundzwanzig? Sie schielte auf die Psychologenhandtasche, die neben dem Schreibtisch stand. Bestimmt hatte sie dort ein Haarspray drinnen.
Der Vater legte seine Hand auf ihre und schüttelte kaum merklich den Kopf. Gertie verdrehte die Augen. Manchmal hasste sie ihn dafür, wie gut er sie kannte.
„Nun, Frau und Herr Winter, sie wissen, aus welchem Grund sie diesen Termin heute haben.“
„Ja.“, sagte der Vater.
„Wie geht es Shane?“
„Gut soweit.“
„Haben sie bei ihr irgendwelche Veränderungen beobachten können seit dem Vorfall vor vier Wochen?“
„Ich hoffte, das könnten sie uns sagen.“, sagte die Mutter spitz.
Der Vater blickte sie kurz an. „Meine Frau findet, dass sie sich zurückzieht.“
Die Ärztin drehte den Kopf. „Inwieweit zieht sie sich zurück?“
Die Mutter hob die Schultern. „Ich weiß auch nicht …Sie geht nicht mehr aus dem Haus, sie trifft sich nicht mehr mit Freunden, es kommt auch keiner mehr zu uns.“
„Und früher war das der Fall?“
„Ja! Shane war immer mit ihren Freunden zusammen. Sie und M und M kennen sich schon seit dem Kindergarten! Seit dem ersten Kindergartenjahr!“
„M und M?“
„Maria und Max.“
„Ah.“
„Und alle Mandalas sind schwarz!“
„Was?“ Der Vater schaute sie an.
„Ihre Mandalas. Sie sind alle schwarz.“
„Schnüffelst du ihr etwa hinterher?“
„Nein. Ich habe sie gesehen, als ich ihre Kleider in den Schrank geräumt habe. Aber das kannst du ja gern in Zukunft tun.“
„Meine Güte, Gertie, es ist nur eine Farbe! Vielleicht sind ihr die anderen ausgegangen!“
Die Psychologin schrieb etwas auf und schaute dann den Vater an. „Und sie finden nicht, dass Shane sich zurückgezogen hat?“
Der Vater zuckte mit den Schultern. „Shane ist ein sensibles Kind. Ich denke, man sollte den Kindern allgemein etwas mehr Zeit lassen. Allerdings …“
„Ja?“
„Meiner Frau schien es besser zu gehen, seit sie wusste, dass wir einen Termin bei ihnen haben.“
„Na toll! Und die Nächste, die zum Psychologen geht, bin dann wohl ich?“, fauchte ihn seine Frau an.
„Gertie! Es reicht!“
Die Mutter seufzte. Sie blickte die Ärztin an. „Entschuldigen sie bitte. Es ist nur …wissen sie, wir hatten ziemliche Probleme mit unserem Sohn, Mark.
Er fing genau in demselben Alter an, schwierig zu werden, in dem Shane jetzt ist.“
„Ich verstehe.“
Der Vater sah seine Frau an. Dann beugte er sich etwas nach vorn. „Haben sie mit Shane geredet?“
„Ja. Ich habe mit allen Kindern geredet, die in den …Vorfall verwickelt
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