Shane - Das erste Jahr (German Edition)
kurz den Mauerbruch anschauen, wirklich!“ flehte Shane.
Mark atmete laut aus und blickte dann ebenfalls den Baum hinauf. „Das ist der brennende Baum, die Flamme an der Mauer.“
Er schaute seine Schwester an und hielt ihr den Helm entgegen. „Ich werde Gertie nichts davon sagen.“
Die Mutter trat ein und wandte lauschend den Kopf hin und her. Der Vater schob sie vor sich her. „Jetzt geh doch mal rein!“
Sie hängte ihre Jacke an die Garderobe und kam näher. „Und?“ Sie blickte kurz die Treppe hinauf. „Ist alles gut gegangen?“
Mark hielt die Zeitschrift weiter vor sein Gesicht. „Ja, nachdem wir das Gras geraucht haben, waren sie zwar ein wenig aufgedreht, doch nach dem Schnaps sind sie gleich eingeschlafen.“
Die Mutter setzte sich neben ihn. „Danke.“
Mark legte das Blatt auf den Tisch. „Und, wie lief’s bei euch? War’s gruselig, die ganzen Fressen von früher wiederzusehen?“
Der Vater öffnete eine Flasche und füllte zwei Gläser. „Gruseliger als damals bei dir kann’s eigentlich nicht werden.“
„Also ich fand es ganz schön gruselig.“ Die Mutter wandte sich Mark zu. „Stell dir vor, da ist ein Vater, der lässt seinen Sohn Rambo schauen, um ihn für’s Leben abzuhärten!“
„Ja, okay, der hat wirklich nen Knall.“ Der Vater reichte ihr ein Glas.
Mark erhob sich. „Ich hau ab. Gute Nacht.“
„Gute Nacht.“
„Und jetzt nennt er ihn nur noch Rambo. Die sind doch echt alle krank.“
Mark blieb stehen. Er drehte sich um. „Wie heißt der Typ mit Nachnamen?“
Die Mutter runzelte die Stirn. „Ähh, Weisberg oder so?“
„Weisenberger?“
„Ja, genau! Warum?“
Mark schüttelte den Kopf. „So einen hatten wir auch in der Klasse. Auch einen Rambo.“
„Das wird wohl sein Bruder sein.“
„Wahrscheinlich …“ Mark runzelt die Stirn. „Ich kann mich noch erinnern, dass der mal von den Bullen von der Schule abgeholt wurde.“
„Warum das denn?“
„Ich glaube, der Vater hat die Familie verdroschen.“
„Na prima. Und mit so einem ist Shane in der Klasse!“
Mark schüttelte wieder den Kopf. „Sie sollte sich vor denen in Acht nehmen. Die machen keine Späße. Die sind gefährlich.“
Der Schmauss spazierte wie ein Tänzer vor der Tafel hin und her. „Neun Schneebälle habt ihr, sechs werft ihr eurem Freund an den Kopf. Wie viele habt ihr noch?“
Shane drehte sich um. Der Platz war leer.
Sie runzelte die Stirn und blickte auf die Plätze von Rambo und seiner Gang. Auch leer.
„Also, wer kann mir die richtige Antwort sagen?“
Eine Hand fuhr in die Höhe.
„Ja, Shane?“
„Darf ich Max suchen gehen?“
Der Lehrer blickte fragend. „Er wollte doch nur aufs Klo.“
„Ja, wissen sie, er verirrt sich dauernd. Er leidet an einer neurofunktionellen Störung.“
„Wie bitte?“
„Ja, es stimmt.“ Maria nickte eifrig. „Er verläuft sich ständig irgendwo.“
„Also, ich erbitte mir etwas mehr Respekt im Unterricht!“
„Drei!“
„Was?“
„Die Antwort ist drei.“, sagte Shane. „Bitte, darf ich jetzt gehen? Ich bin gleich wieder da, ganz bestimmt!“ Sie erhob sich.
Der Schmauss seufzte. „Von mir aus.“
Maria sprang auf. „Ich komme mit!“
„Hey!“ Der Lehrer sah den Beiden kopfschüttelnd hinterher.
Sie liefen durch die Flure. Shane wandte den Kopf nach rechts und nach links. Gab es hier schon immer so viele Zimmer? Maria lief neben ihr. „Da stimmt was nicht.“
„Seh ich auch so.“
Sie waren am Ende des Korridores angelangt und blieben stehen. Maria blickte sich um. „Die sind doch niemals auf dem Klo!“ Shane nickte. „Los, wir gehen in den oberen Stock!“
Die Mädchen zogen sich an dem verschnörkelten Geländer hinauf.
Oben blieben sie schnaufend stehen. Shane zuckte die Schultern. „Am besten, wir teilen uns auf.“
Maria packte sie am Arm. „Pssst.“
Shane hielt den Kopf schief. Sie hörte es auch. Es war ein Wimmern.
„Los, da lang!“ Sie rannten los.
Hier oben lagen die Zimmer der Oberstufen, schmale Spinde drängten sich an der Wand entlang und machten nur ab und zu Platz für eine Tür. Sie rannten an den metallenen Schränken vorbei. Das Wimmern wurde lauter.
Shane erblickte die zwei Rambokumpane.
Die Mädchen wurden langsamer. Als die Jungs sie wahrnahmen, drehten sie sich erschrocken um. Dann grinsten sie.
Shane blickte nach vorn und setzte sich langsam in Bewegung. Maria blieb stehen. Shane ging langsam an den Spinten vorbei, einen Schritt nach dem
Weitere Kostenlose Bücher