Shane Schofield 02 - Die Offensive
ebenso die gegenüberliegenden Testkammern und die Laufplanken. Die Schiebetür im Boden, die zum Häftlingstrakt auf Ebene 5 hinunterführte, stand jedoch nach wie vor offen.
Das Wasser auf Ebene 5 war in den vergangenen Stunden beträchtlich angestiegen. Mittlerweile hatte es den Boden von Ebene 4 erreicht. Tintenschwarze Wellen leckten an den Rändern der Bodenöffnung, die nun einem kleinen rechteckigen Swimmingpool ähnelte.
Ebene 5 stand anscheinend vollständig unter Wasser.
Schofield war schon fast an der Luke vorbeigelaufen – als etwas die Wellen durchteilte. Er riss das Gewehr herum, doch da war es schon wieder weg.
Ein zusätzliches Problem hatte ihm gerade noch gefehlt.
Es war so bereits schon schlimm genug: Der ganze Komplex war in tiefe Dunkelheit gehüllt, Bären geisterten durch die Treppenhäuser, Caesar und Logan machten die Gegend unsicher, und das Wasser bemächtigte sich langsam aber sicher des gesamten Gebäudes, von umherstreifenden Häftlingen ganz zu schweigen.
Er gelangte zu der Wand, die Ebene 4 teilte, drückte die Tür auf und riss das Gewehr hoch.
Und auf der anderen Seite, hinter den Resten von Kevins gläsernem Zimmer, erblickte er Gant, die mit gefesselten Armen und Beinen vor einem bizarren Stahlkreuz saß.
Schofield rannte auf Gant zu. Er stürzte und schlitterte das letzte Stück auf den Knien.
Sofort ließ er das P-90 fallen, umfasste ihren Kopf sanft mit den Händen und küsste sie zärtlich auf die Lippen.
Gant war zunächst verblüfft, doch dann erwiderte sie seinen Kuss.
Als er sich von ihr löste, sah Schofield die beiden Männer rechts und links von ihr.
Zunächst bemerkte er Hagerty, der auf die gleiche Weise gefesselt war wie sie.
Dann sah er den toten Colonel Harper – das blutige Fleisch an dem abgehackten Unterleib, die bloßgelegte Wirbelsäule …
»Allmächtiger!«, stieß er hervor.
»Beeil dich!«, sagte Gant. »Wir haben nicht viel Zeit, er kann jeden Moment zurückkommen.«
Schofield hatte sich daran gemacht, Gants Hals von dem Klebeband zu befreien.
»Wer?«, fragte Schofield schwerfällig und hielt einen Moment lange inne.
»Lucifer Leary.«
»Verdammt!« Schofield arbeitete schneller. Endlich löste sich das Klebeband. Er wandte sich ihren Handgelenken zu, als durch die Wände ein dumpfes Rumpeln drang.
Schofield und Gant blickten mit weit aufgerissenen Augen auf.
»Der Flugzeugaufzug …«, sagte Schofield nur.
»Er ist anscheinend oben gewesen«, wisperte Gant, »und jetzt kommt er zurück. Bitte beeil dich!«
Schofield bemühte sich fieberhaft, Gant loszubinden, doch das Klebeband war fest gewickelt. Er nestelte ungeduldig daran herum. Aber es dauerte zu lange.
Er drehte sich um und entdeckte drüben in Kevins Wohnzimmer ein paar Glasscherben. Damit könnte er das Klebeband durchschneiden. Er stürzte hinüber und suchte nach einer Scherbe, die scharf genug war. Als er eine gefunden hatte, ertönte Gants aufgeregte Stimme: »Scarecrow!«
Er richtete sich auf und fuhr herum. Vor ihm stand ein extrem großer, breitschultriger Mann.
Schofield erstarrte.
Der Mann stand einfach nur da – in einem Abstand von etwa einem Meter. Das Gesicht lag vollständig im Schatten. Schweigend und vollkommen reglos musterte er den erheblich kleineren Schofield. Dieser hatte ihn überhaupt nicht kommen gehört.
»Wissen Sie, warum das Wiesel das Nest des Krokodils in Ruhe lässt?«, fragte die Schattengestalt. Schofield konnte keine Bewegung des Mundes ausmachen.
Er schluckte.
»Weil es nicht weiß, wann das Krokodil zurückkommt«, sagte der Mann.
Dann trat der Hüne aus dem Schatten.
Und Schofield erblickte die abscheulichste Fratze, die man sich nur vorstellen kann. Auch das Gesicht war groß, und die gesamte linke Hälfte war von einer grauenhaften schwarzen Tätowierung bedeckt, die fünf Kratzspuren zeigte.
Lucifer Leary war wirklich ein Riese, mit massigen, muskulösen Schultern und gewaltigen Beinen. Er war fast einen ganzen Kopf größer als Schofield. Noch immer trug er die Gefängnisjeans und ein himmelblaues Hemd mit abgerissenen Ärmeln. Kalt und abschätzend starrte er Schofield mit seinen dunklen Augen an.
Plötzlich öffnete Leary den Mund, grinste heimtückisch und bleckte seine fauligen gelben Zähne.
Die Wirkung war nahezu hypnotisierend.
Schofield blickte sich rasch nach Gant um. Das P-90 lag neben ihr auf dem Boden. Mit einer blitzschnellen Bewegung riss er seine beiden Pistolen aus den
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