Shane Schofield 02 - Die Offensive
FBI beschlagnahmt.
Und nun bedenken Sie Folgendes: Am selben Tag – dem 6. Februar 2001 – wurde um 19.35 Uhr Jeremiah Woolfs Washingtoner Stadtwohnung von einer Explosion zerstört, die seine Frau und seine einzige Tochter das Leben kostete. Im Untersuchungsbericht wird austretendes Gas als Unglücksursache bezeichnet.
Das FBI glaubt, dass Woolf – zu Lebzeiten ein energischer junger Senator, der gegen das organisierte Verbrechen zu Felde zog und als möglicher Präsidentschaftskandidat galt – das Opfer eines erpresserischen Anschlags geworden ist: ›Lass uns ins Ruhe, sonst töten wir deine Familie!‹
Offenbar versucht die Regierung etwas zu verschleiern.
Wenn Woolf tatsächlich erpresst wurde, stellt sich die Frage, warum. Er hatte sich immerhin schon zehn Monate zuvor aus dem Senat zurückgezogen. Und wenn er bei einem gewöhnlichen Jagdunfall ums Leben kam, weshalb hat dann das FBI die Krankenhausakten beschlagnahmt?
Was geschah wirklich mit Jerry Woolf? Momentan wissen wir es noch nicht.
Noch ein letztes Argument: Berücksichtigt man die Zeitverschiebung, entspricht 19.35 Uhr in Washington DC 16.35 Uhr in Alaska. Lässt man die Gerüchte über einen Jagdunfall, die Erpressung durch die Mafia und ein undichtes Gasventil außer Acht, bleibt somit eine Tatsache bestehen: Im selben Moment, in dem das Herz des Ex-Senators Jerry Woolf in der Notaufnahme eines Krankenhauses in Alaska aufhörte zu schlagen, explodierte sein Haus auf der anderen Seite des Landes in einem gigantischen Feuerball …«
Prolog
Schutztrakt
Bundesstrafanstalt Leavenworth
Leavenworth, Kansas
20. Januar, 12.00 Uhr
Es war sein letzter Wunsch.
Er wollte die feierliche Amtseinführung im Fernsehen mitverfolgen.
Zwar verschob sich der Flug nach Terre Haute dadurch um eine Stunde, doch andererseits – so dachten jedenfalls die zuständigen Beamten in Leavenworth – sollte man einem Verurteilten seinen letzten Wunsch nicht abschlagen.
Der Fernsehapparat warf ein flackerndes Licht auf die Betonwände der Zelle. Monotone Stimmen drangen aus den Lautsprechern:
»… Ich schwöre feierlich …«
»… Ich schwöre feierlich …«
»… dass ich das Amt des Präsidenten der Vereinigten Staaten von Amerika treulich wahrnehmen …«
Der Gefangene blickte gebannt auf den Bildschirm.
Und dann breitete sich ein Lächeln auf seinem Gesicht aus – obwohl er kaum noch zwei Stunden zu leben hatte.
Auf seinem Gefängnishemd stand: »T-77«.
Er war 59 Jahre alt, hatte ein wettergegerbtes Gesicht und fettiges, streng zurückgekämmtes schwarzes Haar. Trotz seines Alters war er ein großer, kräftiger Mann mit einem kräftigen Nacken und breiten Schultern. Die dunklen, blitzenden Augen zeugten von seiner Intelligenz. Er war in Baton Rouge, Louisiana, geboren, und das hörte man an seiner Aussprache.
Bis vor kurzem war er im T-Trakt untergebracht gewesen, der den von anderen Häftlingen bedrohten Insassen vorbehalten war.
Vor zwei Wochen hatte man ihn jedoch im Verlegungstrakt – auch Abflughalle genannt – einquartiert, ein Spezialtrakt für die zum Tode verurteilten Häftlinge. Von dort werden sie nach Indiana ins Bundesgefängnis Terre Haute gebracht, wo sie die Giftspritze erwartet.
Leavenworth war ursprünglich ein Fort aus dem Bürgerkrieg und ist nun ein Hochsicherheitsgefängnis. Folglich sitzen dort nur jene Gefangenen ein, die gegen Bundesgesetze verstoßen haben – also Gewaltverbrecher, ausländische Spione und Terroristen, Mafiabosse sowie Gesetzesbrecher, Verräter und Deserteure der amerikanischen Streitkräfte.
In der Haftanstalt herrschen äußerst brutale Bedingungen. Armeedeserteure werden regelmäßig verprügelt oder bekommen den Buchstaben »D« auf die Stirn gebrannt. Ausländische Spione haben das Gerücht verbreitet, dass manchen Gefangenen dort Körperteile abgetrennt wurden, wie zum Beispiel den vier Terroristen aus dem Mittleren Osten, die wegen des Bombenanschlags auf das World Trade Centre im Jahr 1993 verurteilt worden waren.
Die grausamste Behandlung aber ist einer besonderen Gruppe von Gefangenen vorbehalten, den Verrätern.
Es scheint so, als ob die Insassen von Leavenworth – darunter zahlreiche unehrenhaft aus der Armee entlassene Ex-Soldaten – ungeachtet ihrer Verbrechen ihrem Land einen tiefen Respekt entgegenbringen. Verräter werden nämlich zumeist schon in den ersten drei Tagen der Haft umgebracht.
William Anson Cole etwa war Analytiker bei der CIA und hatte
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