Shanera (German Edition)
nur. Ich gehe voraus mit Zela, bilde Du mit Kessy die Nachhut und pass auf, dass keiner verloren geht.“ Er steuerte zielstrebig in eine Passage, die auch von ungeübten Kletterern einigermaßen zu bewältigen war.
Kessy brauchte etwas mehr Hilfe als die anderen und musste von Shanera an einigen Stellen unter sanftem Zwang nach oben geschoben werden. Der Ysren lief kalter Schweiß übers Gesicht und sie atmete gepresst. Aber sie presste die Zähne zusammen und beschwerte sich trotz ihrer offensichtlichen Angst nicht, was Shanera ihr hoch anrechnete.
Bald erreichten sie den Durchbruch seitlich des Schiffs. Vom Staub tränten ihnen die Augen, doch der Anblick des aufgerissenen Felsens ließ sie das vergessen. Eine klaffende Lücke von beeindruckenden Ausmaßen gewährte Durchblick auf den Himmel über der Tiefebene, wenn auch staubgetrübt. Schräg zwischen den Felstrümmern lag das Schiff, bedeckt von losen Brocken und Steinstaub. Der hintere Teil ragte über die Schlucht hinaus. Gelegentlich löste sich Geröll und rieselte in die Tiefe.
„Unglaublich.“, kommentierte Zela. „Euer Schiff ist wirklich sehr stark.“
„Ja, nur nicht stark genug, um diesen Aufprall zu überstehen.“, meinte Noor. „Ich habe keine Ahnung, wie wir es später bergen sollen.“
„Hierbleiben darf es jedenfalls nicht.“, erwiderte Rey. „Die Tarnung funktioniert auch nicht mehr.“
„Im Moment können wir nichts machen.“, warf Kessy ein, die etwas kurzatmig an einem Felsen lehnte. „Soll sich die Basis den Kopf darüber zerbrechen.“
„Gehen wir auf die andere Seite.“, drängte Koras. „Wenn das Schiff doch noch ins Rutschen kommt, haben wir hier verloren.“
Sie kletterten über Geröll und Felsbrocken, neben sich die dunkle Masse des Schiffs und über sich die unwahrscheinliche, gezackt eingebrochene Felswand, die hier nur wenige Schritt dünn war.
An der Außenseite waren große Bereiche des Gesteins abgeplatzt und hatten eine Art Krater in die Wand gerissen. Es musste eine gewaltige Lawine gegeben haben. Unter und über ihnen wölbte sich der Fels nach außen. Shanera machte sich schon Sorgen, wie sie weiterkommen sollten, doch Koras hatte mit geübtem Blick eine schräg verlaufende Abbruchkante ausgemacht, die quer durch den Krater und dann in weniger steiles Gelände führte.
Sie tasteten sich vorsichtig daran entlang. Es gab einen bangen Moment, als Kessy an einer ausgesetzten Stelle beinahe die Nerven versagten. Sie musste von Noor und Shanera mit vereinten Kräften über den schwierigen Part hinweg bugsiert werden.
Danach ging es einfacher weiter und bald waren sie auf einem mit Büschen bewachsenen Felsvorsprung angekommen, auf dem sie sich ausruhen konnten. Sie waren inzwischen so weit weg von dem Durchbruch, dass sie keine Einstürze mehr befürchten mussten. Da der Fels über ihnen weniger steil zur Kante hin anstieg, vermutete Shanera, dass sie den Bereich des dunklen Falls und seines Schlunds verlassen hatten und hinter ihnen wieder solider Fels war.
Kessy atmete tief durch und versuchte, ihre flatternden Nerven zu beruhigen.
„Das ist kein Spaß.“, äußerte sie schließlich zu Shanera. „Klettert Ihr Euer ganzes Leben lang so in den Felsen herum?“
„Ja, so sind wir.“, grinste diese. „Und zum Schlafen hängen wir uns mit den Füßen über irgendeinen Felsvorsprung und lassen den Kopf baumeln.“
Kessy starrte sie entsetzt an, bevor sie merkte, dass sie auf den Arm genommen wurde.
„Wir haben natürlich Wege.“, erklärte Shanera. „Und wir schlafen in Häusern, das wisst Ihr doch, oder? So rückständig sind wir auch wieder nicht.“
„Nein, natürlich nicht.“, beschwichtigte sie Kessy. „Das war wohl eine dumme Frage.“ Sie lächelte verlegen.
„Macht ja nichts.“, winkte Shanera ab. „Wann kommen denn Eure Leute? Sollen wir hierbleiben oder nach oben zur Ebene steigen? Von hier aus ist es nicht mehr sehr schwierig.“
Rey holte die Schriftrolle heraus und studierte sie.
„Es dauert noch bis zum Nachmittag. Da wir nicht mehr in akuter Notlage sind, wollen sie gleich ein größeres Schiff schicken, um das andere bergen zu können.“
„Na, da bin ich gespannt. Und so lange sitzen wir hier fest?“, beschwerte sich Kessy. „Steigen wir lieber nach oben, dann muss ich nicht immer in diesen Abgrund sehen.“
Shanera blickte nach unten. Die Wand fiel steil ab, aber bei weitem nicht senkrecht. Büsche, Gräser und andere Pflanzen wuchsen in Nischen und auf
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