Shanghai Love Story
sie.
»Mein Vater ist Lehrer für Wissenschaften«, sagte Zhou Lai.
»Und deine Mutter?«
»Meine Mutter auch Lehrer. Sie lernt kleine Schule.«
»Meine Mutter ist auch Lehrerin. Sie unterrichtet an einer Grund schule«, verbesserte ihn Anna. »An der Schule deines Bruders?«
»Ja, meine Mutter ist eine Lehrerin an der Grund schule von Bruder.«
»Sehr gut. Was für einen Beruf hat deine Tante?«
»Meine Tante ist ⦠wie du sagen?« Er blätterte durch das Wörterbuch. »Hausfrau in Amerika. Mein Onkel haben groÃes China-Restaurant und viel Geld«, prahlte Zhou Lai.
»âºMein Onkel ist reichâ¹, würde man eher sagen. Was ist mit deiner anderen Tante? Chenxis Mutter. Was macht sie?«
»Meine Tante arbeiten in Fabrik.«
»Meine Tante arbeitet in einer Fabrik. Und Chenxis Vater? Was macht der?«
Zhou Lai errötete. Er spielte mit seinem Bleistift und schaute dann hoch. »Mein Onkel ist getötet.«
»Mein Onkel ist tot .«
»Nein. Onkel ist getötet . In Kulturrevolution.«
Anna starrte ihn an und merkte, wie ihr das Blut in den Adern gefror.
Zhou Lai schaute zur Tür. Er schüttelte den Kopf und senkte die Stimme, rückte näher zu Anna. »Du wissen davon in Ausland? In deinem Land? Du wissen von Kulturrevolution?«
»Ein bisschen.«
»Kulturrevolution nicht sehr gut â¦Â«
Anna schwieg und hörte zu.
»Er getötet in Kulturrevolution wegen Liebe. Er ist Mann von Chenxi Mutter, aber er lieben Ausländerin. Frau, die älter als er. Seine Familie sagen, das sehr schlecht. Sie sagen, er lieben Ausländerin, er nicht lieben China. Chenxi nur Baby, Chenxi jetzt nicht gut kennen Vater. Er sehr böse, weil Vater lieben Ausländerin. Er nicht mögen Ausländer, Chenxi. Er sagen, sie machen Ãrger. Und so Chenxi nicht höflich zu dir â¦Â«
Anna hörte, wie sich die Tür hinter ihr öffnete, und sah, dass Zhou Lai angstvoll die Augen aufriss. Ihr Herz hämmerte in ihrer Brust. Ohne sich umzudrehen, las sie weiter aus dem Ãbungsbuch vor. »Was macht dein Bruder?«
»Mein Bruder lernen in Schule â¦Â«
Kapitel 15
Mr White rührte in der SoÃe. Auf seiner Stirn bildeten sich SchweiÃperlen. Eine löste sich und rollte über seine buschige Augenbraue, über den Nasenrücken bis zur Spitze, wo sie zitternd einen Moment hängen blieb und dann in die rote, Blasen schlagende SoÃe fiel. Er tupfte sich die Stirn mit dem Taschentuch ab. Anna lehnte im Bademantel und mit einem Handtuch um das nasse Haar geschlungen am Türrahmen und schaute ihm zu. Mr White kochte seine spezielle SpaghettisoÃe, zur Feier der sicheren Rückkehr seiner Tochter, die die gefahrvolle Reise mit nichts weiter als einer Erkältung überstanden hatte. Anna zupfte an ihren Fingernägeln.
»Trotz der Klimaanlage wird es hier immer so heië, beklagte sich Mr White.
»Dad? Worum ging es eigentlich bei der Kulturrevolution?«
Mr White hob den Kochlöffel an die Lippen und leckte vorsichtig an der Spitze. Stirnrunzelnd griff er nach dem Salz und streute etwas davon in die SoÃe. »Die Kulturrevolution war Maos letzter Versuch, sich an der Macht zu halten. Die Kommunistische Partei war seit 1949 an der Macht, aber er hatte während des sogenannten âºgroÃen Sprungs nach vornâ¹ ein solches Durcheinander angerichtet, dass die Leute anfingen, an seinen Fähigkeiten zu zweifeln. Und so musste er sich etwas einfallen lassen, damit sie wieder an ihn glaubten. 1966 manipulierte er sein Volk so geschickt, dass sie der Meinung waren, die Kommunistische Revolution sei in Gefahr und könne nur mit seiner Hilfe gerettet werden.« Mr White schwieg, nahm wieder den Kochlöffel und probierte die SoÃe erneut. »Mmm ⦠schon besser. Hast du schon mal von der Roten Garde gehört?«
»Wir hatten das mal in der Schule, aber ich kann mich nicht mehr genau erinnern. Waren das nicht Studenten, die für Mao arbeiteten? Aber sie sind irgendwie auÃer Kontrolle geraten, nicht wahr? Unser Lehrer hat sie mit der Hitlerjugend verglichen.«
»Die Rote Garde waren naive, junge Studenten, etwa in deinem Alter oder jünger, die von Mao aufgewiegelt wurden. Das Schulsystem in China war seit jeher streng, also kannst du dir vorstellen, was passierte, als Mao den Schülern und Studenten erklärte, sie könnten ihre eigenen
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