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Shannara I

Titel: Shannara I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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und wir finden ihn nie.«
    Mehrere Meilen vor ihnen, am grauen Randbereich der schwarzen Wand aus Nebel und Dunst, zögerte die kleine, gekrümmte Gestalt Orl Fanes zeitweilig, als die grünlichen Augen angstvoll und verständnislos in die wirbelnde Dunkelheit starrten. Der Gnom war seit seiner Befreiung in den frühen Morgenstunden unbeirrt nach Norden gelaufen, zuerst so schnell er konnte, bis seine Kräfte nachließen, dann in einem schlurfenden Trab, immer ein Auge nach hinten gerichtet, um die unvermeidliche Verfolgung zu erkennen. Sein Gehirn funktionierte nicht mehr normal; seit Wochen lebte er von Instinkt und Glück, beraubte die Toten, mied die Lebenden. Er konnte sich nicht dazu bringen, an etwas anderes als das nackte Überleben zu denken. Selbst sein eigenes Volk hatte ihn verstoßen, als ein Wesen, niedriger denn die Insekten, die vor ihren Füßen am Boden herumkrochen. Es war ein wildes, rauhes Land, das ihn umgab - ein Land, in dem man alleine nicht lange bestehen konnte. Aber er war allein, und das einst normale Gemüt hatte sich nach innen gewandt, die Ängste, die dort lauerten, verdrängt und den Wahnsinn entstehen lassen.
    Aber der unvermeidliche Tod kam nicht schnell und schmerzlos, das Schicksal ließ in dem Fliehenden immer wieder einen Hoffnungsschimmer aufkeimen und spielte ihm das Mittel in die Hand, die scheinbar unerreichbare Wärme menschlicher Gemeinschaft wiedererlangen zu können. Der verzweifelte Gnom hatte von dem legendären Schwert von Shannara erfahren, dessen schreckliches Geheimnis warnend über die starren Lippen eines Sterbenden auf der Ebene von Streleheim gedrungen war, kurz bevor die Augen brachen. Dann hatte er das Schwert in Händen - den Schlüssel zur Macht über die Sterblichen.
    Aber der Wahnsinn blieb, die Ängste und Zweifel zerrten unablässig an seiner versagenden Vernunft, während er überlegte, was zu tun sei. Dieses fatale Zögern führte zur Gefangennahme des Gnoms und zum Verlust des begehrten Schwertes - seines Rettungsankers für eine Wiederaufnahme bei seinem Volk. Die Vernunft wich der Verzweiflung und dem Toben, und das schon stark aus dem Gleichgewicht geratene Gehirn gab den letzten Widerstand auf. Es blieb jetzt nur noch Raum für einen brennenden, fordernden Gedanken - das Schwert mußte ihm gehören, oder sein Leben war verspielt. Er prahlte vor seinen ahnungslosen Gegnern damit, daß das Schwert sein sei, daß nur er wisse, wo man es finden könne, und verriet ungewollt sich selbst damit, vertat seine letzte Chance, es zu besitzen. Aber die Fremden hatten nicht aufgepaßt und ihn als schwachsinnig empfunden. Dann die Flucht mit dem Schwert, die Jagd nach Norden…
    Er blieb stehen und starrte entgeistert auf die geheimnisvolle schwarze Wand, die ihm den Weg versperrte. Ja, nach Norden, nach Norden, dachte er, und seine Augen weiteten sich. Dort lagen Sicherheit und Erlösung für einen Ausgestoßenen. Tief im Innern spürte er einen unheimlichen Wunsch, umzukehren, aber ihn ließ der Gedanke nicht los, daß seine Rettung allein im Nordland liege. Dort würde er ihn finden… den Meister. Den Dämonen-Lord. Sein Blick richtete sich auf das alte Schwert an seinem Gürtel. Es war viel zu groß für ihn, und die Spitze schleifte am Boden. Er strich über den ziselierten Griff mit der Fackel, wo der Tarnanstrich bereits abblätterte. Er umfaßte den Griff krampfhaft, als versuche er, aus ihm Kraft zu ziehen. Narren! Narren sie alle, dachte er, die ihn nicht mit dem Respekt behandelt hatten, der ihm gebührte. Denn er war der Träger des Schwertes, der Hüter der größten Legende, welche die Welt je gekannt, und er würde es sein, der… Er schob den Gedanken hastig beiseite, aus Angst, die Leere ringsum könnte in sein Gehirn blicken und ihm das Geheimnis entreißen.
    Vor ihm wartete die grauenhafte Dunkelheit. Orl Fane hatte Angst davor, wie vor allem, aber es gab keinen anderen Weg für ihn. Dumpf erinnerte er sich an seine Verfolger - den riesigen Troll, den einarmigen Mann, dessen Haß er spürte, und den Jüngling, der halb Mensch, halb Elfenwesen war. An jenem war etwas, das sich der Gnom nicht erklären konnte, etwas, das mit störrischer Beharrlichkeit an seinem zermürbten Geist nagte.
    Er schüttelte verwirrt den Kopf und ging weiter hinein in das Grau vor der schwarzen Wand. Die Luft war tot und still. Er schaute sich nicht um, bis die Schwärze ihn ganz umgab und die Stille im plötzlichen Fauchen des Windes und tropfender Feuchtigkeit

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