Shannara I
regelmäßigen Abständen in die dicken Mauern eingelassen waren, fensterlos, mit massiven Beschlägen. Dies war ein Kerker, der jeden Menschen ängstigen mußte - eine fensterlose, lichtlose Reihe von Verliesen, deren Insassen man dem Vergessen anheimgeben konnte.
Unzählige Jahre hindurch hatten die Zwerge nach den vernichtenden Großen Kriegen so gelebt, um zu überleben; halb blind waren sie in eine fast vergessene Welt des Lichts zurückgekehrt. Diese furchtbare Erinnerung hatte sich Generationen von Zwergen tief eingeprägt und instinktive Angst vor unbeleuchteten, engen Räumen erzeugt. Höndel spürte sie jetzt, bedrückend und verhaßt, wie die klamme Kälte der Tiefen, in die dieses Grab geschaufelt worden war.
Er zwang sich, die Angst zu unterdrücken, und betrachtete die Türen genau. Die Riegel waren teilweise verrostet, das Metall mit Staub und Spinnweben bedeckt. Während er daran vorbeiging, konnte er sehen, daß sie alle seit unzähligen Jahren nicht mehr geöffnet worden waren. Er vermochte die Türen schließlich nicht mehr zu zählen, der dunkle Korridor schien sich endlos vor ihm zu erstrecken. Er hätte am liebsten gerufen, aber der Widerhall hätte nach oben dringen können. Er schaute sich sorgenvoll um und entdeckte, daß die Öffnung und die Treppe nicht mehr zu sehen waren. Die Dunkelheit schien ihn einzuschließen. Höndel biß die Zähne zusammen und ging weiter, jede einzelne Tür genau untersuchend. Dann hörte er plötzlich, zu seiner Verblüffung, menschliches Stimmengemurmel.
Er lauschte aufmerksam, befürchtend, von seinen Sinnen getäuscht worden zu sein. Da waren die Laute aber wieder, ganz schwach, kaum vernehmbar, jedoch vorhanden. Der Zwerg versuchte ihnen zu folgen, aber sie verstummten plötzlich. Verzweifelt schaute er sich um und starrte die Türen an. Eine davon war zu verrostet, aber eine andere zeigte frische Kratzspuren. Staub und Spinnweben waren weggewischt worden. Die Riegel ließen Ölspuren erkennen. Der Zwerg riß sie heraus und öffnete die schwere Tür, dann hob er die Fackel, deren Licht auf drei erstaunte, halb geblendete Gestalten fiel, die sich erhoben hatten, um der neuen Bedrohung zu begegnen.
Sie stürzten aufeinander zu und umarmten sich herzlich. Balinors Gesicht wirkte ruhig und gefaßt, und nur die blauen Augen verrieten die unendliche Erleichterung, die der Prinz empfand. Wieder einmal hatte der kluge Zwerg ihnen das Leben gerettet. Aber sie hatten keine Zeit, sich lange ihren Gefühlen zu überlassen, und Höndel winkte sie hastig durch den dunklen Korridor zurück zur Treppe. Wenn sie bei Tagesanbruch noch unter dem Palast herumliefen, würden sie mit Gewißheit entdeckt und wieder gefangengenommen werden. Sie mußten so rasch wie möglich in die Stadt entkommen. Mit schnellen Schritten huschten sie durch den Korridor.
Dann scharrte plötzlich Stein auf Stein, und es krachte, als sei eine Gruft zugefallen. Entsetzt lief Höndel voraus, erreichte die feuchten Steinstufen und blieb wie angewurzelt stehen. Der schwere Steinblock über ihnen hatte sich geschlossen, der Weg ins Freie war versperrt. Der Zwerg stand hilflos vor seinen drei Freunden und schüttelte ungläubig den Kopf. Sein Versuch, sie zu retten, war gescheitert; er hatte nur erreicht, auch ein Gefangener zu werden. Die Fackel in seiner Hand war fast heruntergebrannt. Bald würden sie in undurchdringlicher Dunkelheit stehen, und das Warten würde von neuem beginnen.
Gerümpel, nichts als Gerpmpel!« brüllte Panamon Creel wütend und versetzte dem Haufen von wertlosen Metallklingen und billigen Schmuckstücken einen zweiten Tritt. »Wie kann ich ein solcher Narr gewesen sein? Ich hätte das sofort sehen müssen!«
Shea ging stumm zum nördlichen Rand der Lichtung und starrte auf die undeutliche Spur, die Orl Fane bei seiner Flucht hinterlassen hatte. Er war der Lösung so nahe gekommen. Er hatte das kostbare Schwert schon in den Händen gehabt - nur um es erneut zu verlieren, weil er die Wahrheit nicht hatte erkennen können. Keltset stand neben ihm, herabgebeugt zum feuchten, laubbedeckten Boden, die Fährte prüfend. Shea drehte sich nach dem tobenden Panamon um.
»Es war nicht Eure Schuld - Ihr hattet keinen Grund, das zu befürchten«, murmelte er bedrückt. »Ich hätte seinem Toben mehr Aufmerksamkeit schenken müssen. Ich wußte, worauf zu achten war, und habe es versäumt, die Augen offenzuhalten, gerade, als es darauf ankam.«
Panamon nickte, dann zuckte er die Achseln
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