Shannara I
sie einen Augenblick an sich, dann griff er nach ihren Schultern und schob sie ein wenig von sich, um ihr Gesicht zu studieren. Sie begegnete ruhig seinem Blick.
»Ich wollte es aussprechen. Ich wollte, dass du es hörst, Menion. Wenn wir sterben müssen…« Sie verstummte plötzlich, und Menion sah Tränen über ihre Wangen laufen. Er wischte sie sanft weg, lächelte und zog sie mit sich hoch, als er aufstand.
»Ich habe einen weiten Weg hinter mir«, murmelte er. »Ich hätte oft das Leben verlieren können, aber immer wieder bin ich davongekommen. Ich habe das Böse gesehen, das in der Welt ist, die wir kennen, und in den Welten, von denen uns Sterbliche nur Ahnungen beschleichen. Es gibt nichts, was uns beiden schaden könnte. Die Liebe verleiht uns eine Kraft, die sogar dem Tod Widerstand leistet. Aber man braucht ein wenig Glauben. Glaube an uns, Shirl!«
Sie lächelte unwillkürlich.
»Ich glaube an dich, Menion. Und du sollst an dich selbst glauben.«
Der erschöpfte Hochländer lächelte sie an und drückte ihre Hände. Sie war die schönste Frau, die er je gesehen hatte, und er liebte sie mehr als sein Leben. Er beugte sich vor und küsste sie.
»Alles wird sich finden«, versicherte er ihr. »Alles wird gut werden.«
Sie blieben noch einige Minuten in dem einsamen Garten, unterhielten sich halblaut und folgten zerstreut den kleinen Wegen, die sich zwischen den duftenden Sommerblumen dahinschlängelten. Menion musste sich Mühe geben, wach zu bleiben, und Shirl drang darauf, dass er sich schlafen legte, solange er noch Gelegenheit dazu hatte. Er lächelte vor sich hin und zog sich in sein Schlafzimmer zurück, wo er angekleidet auf das große, weiche Bett fiel und sofort einschlief. Die Nachmittagsstunden verrannen, die Sonne sank am westlichen Himmel und verschwand endlich in lodernder Pracht am Horizont. Als es dunkel geworden war, erwachte Menion erfrischt, aber auf sonderbare Weise beunruhigt. Er eilte zu Shirl, und gemeinsam gingen sie durch die fast verlassenen Korridore des Palastes, auf der Suche nach Höndel und den beiden Elfen. Ihre Schritte hallten durch die langen Gänge, als sie an statuenhaften Wachen und dunklen Zimmern vorbeieilten und nur einmal kurz stehen blieben, um einen Blick auf die regungslose Gestalt von Palance Buckhannah zu werfen, an dessen Bett die Ärzte mit ausdruckslosen Mienen wachten. Sein Zustand war unverändert, sein verwundeter Körper und der gemarterte Geist lagen im Kampf gegen die übermächtige Kraft des Todes, der sich langsam und unerbittlich näherte. Als Menion und Shirl sich vom Bett entfernten, hatte das Mädchen Tränen in den Augen.
Überzeugt, dass seine Freunde zum Stadttor gegangen waren, um die Rückkehr des Prinzen von Callahorn abzuwarten, ließ Menion zwei Pferde satteln und ritt mit Shirl die Hauptstraße hinunter. Es war eine kühle, wolkenlose Nacht, erhellt vom silbernen Schimmer des Mondes und der Sterne, und die Türme der Stadt zeichneten sich gegen den Himmel deutlich ab. Als die Pferde die Brücke von Sendic erreichten, spürte Menion die willkommene Kühle einer nächtlichen Brise an seinem erhitzten Gesicht. Es war ungewöhnlich still in der Stadt; die Straßen lagen verlassen da, in den Häusern brannte zwar Licht, aber man hörte kein Lachen, keine geselligen Gespräche. Ein Mantel des Schweigens hatte sich über die belagerte Stadt gelegt, eine grimmige, wispernde Einsamkeit, die des Todes zu harren schien, den der Kampf bringen mochte. Die Reiter trabten durch die unheimliche Stille und versuchten ein wenig Trost in der Schönheit des Sternenhimmels zu finden. Die hochragende Außenmauer erhob sich schwärzlich in der Ferne. Auf den Brüstungen brannten Hunderte von Fackeln, um den Soldaten von Tyrsis den Heimweg zu erhellen. Sie sind lange fort, dachte Menion. Aber vielleicht hatten sie mehr erreichen können, als zu hoffen gewesen war. Vielleicht hatten sie den Mermidon gegen die Horden aus dem Nordland gehalten…
Augenblicke später stiegen die Reiter am riesigen Tor ab. In den Kasernen der Legion herrschte geschäftiges Treiben; die Garnison bereitete sich fieberhaft auf die anstehende Schlacht vor. An jeder Ecke drängten sich Soldaten, und Menion und Shirl gelangten nur unter Mühen zur Brustwehr der gigantischen Mauer, wo Janus Senpre sie herzlich begrüßte. Der jugendliche Kommandeur war ohne Ruhepause auf dem Posten gewesen, seitdem Balinor die Stadt verlassen hatte, und das schmale Gesicht zeigte Spuren der
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