Shannara I
Erschöpfung und Besorgnis. Kurze Zeit später tauchten Durin und Höndel aus der Dunkelheit auf, bald danach erschien auch Dayel. Die kleine Gruppe stand schweigend an der Brustwehr und starrte hinaus in die Dunkelheit nach Norden. Aus weiter Ferne hörten sie die gedämpften Rufe und Schreie kämpfender Männer, herübergetragen vom Nachtwind.
Janus erwähnte, er habe ein halbes Dutzend Kundschafter ausgeschickt, um zu erfahren, was sich am Fluss abspiele, aber es sei bis jetzt keiner zurückgekommen - ein unheilvolles Zeichen. Er hatte mehrmals beschlossen, sich selbst auf den Weg zu machen, aber Höndel hatte ihn unwirsch immer wieder daran erinnert, dass er die Verteidigung von Tyrsis zu beaufsichtigen habe, so dass er gezwungen gewesen war, seinen Entschluss immer wieder fallen zu lassen. Durin hatte sich im stillen vorgenommen, sich auf die Suche nach Balinor zu begeben, wenn dieser bis Mitternacht nicht zurückgekommen sein sollte. Ein Elf konnte sich nahezu überall unentdeckt bewegen. Vorerst wartete Durin aber wie die anderen mit wachsender Sorge. Shirl sprach kurz vom unveränderten Zustand Palance Buckhannahs, erhielt aber nur einsilbige Antworten und gab es schließlich auf, die Männer in ein Gespräch ziehen zu wollen. Die kleine Gruppe wartete eine Stunde, wartete zwei Stunden. Die Laute aus der Ferne waren deutlicher und wirrer geworden, und es hatte den Anschein, als rücke das Kampfgetümmel näher an die Stadt heran.
Dann tauchte plötzlich vor der Klippe eine riesige Formation von Reitern und Fußsoldaten auf, um in Kolonnen zu der breiten Steinrampe zu ziehen, die in die Stadt führte. Die Annäherung war fast unbemerkt vor sich gegangen, und das plötzliche Auftauchen, scheinbar aus dem Nichts, rief bei den Beobachtern auf der Mauer Bestürzung hervor. Janus Senpre sprang erschrocken auf den Mechanismus zu, der die Eisenriegel des mächtigen Tores betätigte, für Augenblicke davon überzeugt, dass es dem Feind gelungen war, Balinors Streitmacht zu umgehen und in ihren Rücken zu gelangen. Höndel beschwichtigte ihn jedoch. Er begriff, was sich abspielte, bevor die anderen einen Überblick gewannen. Der Zwerg beugte sich über die Brustwehr und rief in seiner Sprache etwas hinunter, bekam auch schnell Antwort. Höndel nickte den anderen zu und deutete auf den hochgewachsenen Reiter an der Spitze des langen Zuges. Im sanften Mondlicht richtete sich das staubbedeckte Gesicht Balinors nach oben, und seine grimmige Miene bestätigte ihre Befürchtungen. Die Grenzlegion hatte den Mermidon nicht zu halten vermocht, und die Armee des Dämonen-Lords rückte gegen Tyrsis vor.
Es war fast Mitternacht, als die fünf noch verbliebenen Angehörigen des kleinen Trupps aus Culhaven sich in einem kleinen, versteckten Speisezimmer im Palast der Buckhannahs zu einer kurzen Mahlzeit versammelten. Der lange Kampf an Nachmittag und Abend um den Mermidon gegen die Nordland-Armee war verloren, wenngleich unter verheerenden Verlusten für den Feind. Eine Zeitlang hatte es so ausgesehen, als sollte es den kampferfahrenen Soldaten der Grenzlegion gelingen, das Übersetzen des Gegners auf das Südufer des reißenden Stroms zu verhindern, aber der Feind zählte Tausende, und wo Hunderte scheiterten, setzten Tausende sich endlich durch. Actons Reiter waren blitzartig entlang der Kampflinie vorgestoßen, um jeden Versuch des Gegners, die Fußsoldaten einzuschließen, zu vereiteln. Vorstöße in das Herz der nordländischen Reihen hatten Hunderte von Trollen und Gnomen das Leben gekostet. Es war das grausigste Gemetzel gewesen, das Balinor je erlebt hatte, und der Mermidon hatte sich vom Blut der Toten und Verwundeten rot gefärbt. Trotzdem hatten die feindlichen Truppen immer wieder angegriffen, als setzten sie sich aus gehirnlosen Kreaturen zusammen, ohne Gefühl, ohne Verstand, ohne menschliche Furcht. Die Macht des Dämonen-Lords hatte den kollektiven Geist der Riesenarmee so versklavt, dass selbst der Tod keine Bedeutung mehr besaß. Schließlich hatte ein riesiger Haufe barbarischer Berg-Trolle die Verteidigungslinie der Legion am äußersten rechten Ende durchbrochen; viele waren zwar niedergemacht worden, aber der Kampf hatte die Soldaten von Tyrsis gezwungen, die linke Flanke zu verkürzen. So war es der Nordland-Armee zuletzt doch gelungen, das andere Ufer zu gewinnen.
Inzwischen ging die Sonne bereits unter, und Balinor begriff, dass selbst die besten Soldaten der Welt das Südufer nicht würden halten
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