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Shannara I

Titel: Shannara I Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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südlichen Rand des Ringes erstreckten. Die zernarbte Oberfläche des Berges war von der Zeit und den Elementen angenagt, so dass die Südwand besonders drohend wirkte. Selbst bei der oberflächlichsten Betrachtung fiel einem sofort die erschreckende Ähnlichkeit der Südwand mit einem menschlichen Totenschädel auf. Die Bilder glichen sich: nackt und leblos, die Schädeldecke rund und schimmernd über den leeren Augenhöhlen, die Backen hohl, der Kiefer eine schiefe Reihe von Zähnen und Knochen. Das war das Heim des Herrn und Meisters. Das war das Reich Bronas, des Dämonen-Lords. Allüberall trug es das Zeichen des Totenschädels, das unauslöschliche Siegel des Todes.
    Es war Mittag, aber die Zeit schien stillzustehen, und die riesige ausgezehrte Festung war eingehüllt in eine unheimliche Stille. Das vertraute Grau hielt Sonne und Himmel fern, das graubraune Gelände von Fels und Erde ließ kein sterbliches Leben erkennen. Aber an diesem Tag lag doch mehr in der Luft und schnitt durch Stille und Leere in Fleisch und Blut der Männer, die durch den einzigen Zugang in der massiven Messerkante schritten. Es war ein drängendes Gefühl der Eile, das über dem verwitterten Antlitz des Reiches von Brona, dem Dämonen-Lord, hing, so als wären Ereignisse der Zukunft zu schnell durch die Zeit gerast und drängten sich nun in gieriger Erwartung zusammen, um an die Reihe zu kommen.
    Die Trolle schlurften durch den gewundenen Canyon, vor den hochragenden Felsen beinahe zwergenhaft klein, wie Ameisen. Sie betraten das Reich der Toten wie kleine Kinder, die in ein fremdes, dunkles Zimmer gehen, innerlich verängstigt, zögernd, aber trotzdem entschlossen, zu sehen, was jenseits der Schwelle lag. Sie wurden nicht aufgehalten, jedoch beobachtet. Man erwartete sie. Ihr Erscheinen kam nicht als Überraschung. Sie näherten sich, ohne in Gefahr zu geraten, von den Gehilfen des Meisters überfallen zu werden. Ihre ausdruckslosen Gesichter tarnten ihre wahren Absichten, sonst wären sie nie über das Südufer des Lethe hinausgekommen. Denn in ihrer Mitte befand sich der Letzte eines Stammes, den der Geister-König ausgerottet geglaubt hatte, der letzte Sohn des Elfen-Hauses Shannara.
    Shea marschierte unmittelbar hinter der mächtigen Gestalt Keltsets, die Hände scheinbar hinter dem Rücken gefesselt. Panamon Creel war der Nächste, auch er scheinbar ein Gefangener. Seine scharfen grauen Augen suchten die Felswände zu beiden Seiten der schmalen Schlucht ab. Die List war gelungen. Scheinbar Gefangene der Berg-Trolle, waren die beiden Südländer zum Ufer des Lethe getrieben worden, jenes trägen, stinkenden Flusses an der südöstlichen Grenze des Schädelreiches. Die Trolle und ihre stummen Opfer waren auf eine breite Fähre aus faulendem Holz und rostenden Eisendornen gestiegen, deren stummer Fährmann eine gebückte Kapuzengestalt war, mehr Tier als Mensch, das Gesicht in den Falten des muffigen, schwarzen Mantels verborgen. Man sah jedoch seine gekrümmten, schuppigen Hände an der Treibstange, als die Fähre langsam durch das giftige Wasser glitt. Die beunruhigten Passagiere spürten ein wachsendes Gefühl des Ekels vor diesem Wesen in sich aufsteigen und waren erleichtert, als seine Gestalt, nachdem sie am anderen Ufer ausgestiegen waren, mit seiner Fähre im Dunst über dem schwarzen Wasser zurückblieb. Das nördliche Tiefland entzog sich ihren Blicken nun ganz, das Nebelgrau dehnte sich überall, so dass jenseits des Flusses nichts mehr zu sehen war. Im Gegensatz dazu ragten die schwarzen Klippen der Messerkante unheimlich vor ihnen auf; die großen Felsenfinger schienen den Nebel im Halblicht des nördlichen Mittags wegzuschieben. Die Gruppe schritt stumm durch den Korridor zwischen den Höhen, der sich tiefer in das verbotene Reich des Dämonen-Lords hineinschob.
    Der Dämonen-Lord. Shea hatte das Gefühl, als habe er von Anfang an gewusst, dass alles so kommen würde, schon von jenem Tag an, als Allanon ihn über seine Herkunft aufgeklärt hatte und damit zu rechnen war, dass er eines Tages diesem furchtbaren Wesen gegenübertreten musste, das alles versuchte, um ihn auszulöschen. Die Zeit und der Ablauf der Dinge verschmolzen zu einem einzigen Augenblick, einem Blitzstrahl wirrer Erinnerungen an die langen Tage der Flucht, mit dem einzigen Ziel, am Leben zu bleiben - und dabei führte nun diese Flucht nur zu dieser schaurigen Begegnung. Der Augenblick rückte immer näher, und Shea würde ihn praktisch allein im

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