Shannara I
König.
Zum zweitenmal wurde Balinor niedergerungen, doch wieder befreite er sich, und der Kampf wogte in dem kleinen Raum hin und her. Der Lärm des Angriffs auf die große Mauer übertönte von draußen die Geräusche im Torhaus. Balinor wusste, dass er mit keiner Hilfe rechnen konnte, wenn es ihm nicht gelang, das Freie zu gewinnen. Er stellte sich wieder an die Wand und schwang das große Schwert, bedrängt von den Gegnern. Drei waren tot, mehrere verwundet, aber die übrigen Männer begannen ihn durch ihre ständigen Attacken zu ermüden. Er musste rasch entkommen. Dann tönte ein lautes Knirschen von Zahnrädern und Gestängen durch das Torhaus, und er begriff entsetzt, dass jemand die Innenverriegelung des Hauptportals öffnete. Er stürzte vorwärts, um zum Sperrmechanismus zu gelangen, aber die Gegner versperrten ihm den Weg und er wurde dazu gezwungen, sich im Halbkreis von seinem Ziel abzusetzen. Einen Augenblick später kreischte Metall auf Metall, und man hörte schwere Hammerschläge. Die Feinde versuchten, die Sperrhebel zu blockieren. Balinor ließ alle Vorsicht fahren und stürzte sich auf die Gegner.
Dann wurde die Tür aufgerissen, und die Leiche des verräterischen Wachtpostens flog herein. Graues Licht flutete in den Raum, und die schlanke Gestalt Durins tauchte neben seinem Freund auf. In grimmigem Schweigen hieben sie auf die verbliebenen Gegner ein, trieben sie fort vom Sperrmechanismus, versperrten ihnen den Weg zur Tür und machten sie in der gegenüberliegenden Ecke des Raumes nieder. Ohne einen zweiten Blick auf die Toten zu werfen, stürmte der blutbefleckte König zum beschädigten Mechanismus und starrte wutentbrannt das Gewirr von Hebeln und Zahnstangen an. Aufgebracht warf er sich gegen den Haupthebel, der sich aber nicht bewegte. Durin wurde blass, als er begriff, was geschehen war.
»Wir haben nicht genug Zeit!« schrie Balinor, verzweifelt an den verklemmten Hebeln zerrend.
Ein dröhnendes Krachen hallte durch das Gebäude, ließ die Wände erzittern und den Boden erbeben.
»Das Tor!« rief Durin entsetzt.
Ein zweites Krachen erschütterte das Torhaus, ein drittes. Draußen scharrten Stiefel, einen Augenblick später erschien Messalines dunkles Gesicht in der Tür. Er wollte etwas sagen, aber Balinor erteilte bereits Befehle.
»Lasst den Raum säubern! Unsere Maschinisten sollen versuchen, den Mechanismus wieder in Gang zu bringen. Die Verriegelung ist gelöst und verklemmt. Verstärkt die Torflügel mit Holzstämmen und stellt Euer bestes Regiment fünfzig Schritte dahinter zu beiden Seiten auf! Die Nordländer dürfen nicht durchkommen. Setzt zwei Reihen Bogenschützen an der Innenmauer ein, um den Torzugang zu verteidigen. Die Reserven und die Stadtgarnison werden die Innenmauer verteidigen. Alle anderen bleiben, wo sie sind. Wir halten die Außenmauer, solange wir können. Wenn sie fällt, zieht die Legion sich auf die zweite Linie zurück und hält sie. Wird auch diese überrannt, verschanzen wir uns an der Brücke von Sendic. Das wird die letzte Abwehrlinie sein. Sonst noch etwas?«
Durin erklärte hastig, wohin Höndel gegangen war. Balinor schüttelte erschöpft den Kopf.
»Wir sind allerorts verraten worden. Höndel wird im Augenblick ohne unsere Hilfe auskommen müssen. Wenn der Palast fällt und sie uns von hinten angreifen, sind wir ohnehin am Ende. Messaline, Ihr haltet die rechte Flanke, Ginnisson übernimmt die linke, ich bleibe in der Mitte. Der Feind darf nicht durchbrechen. Betet darum, dass Eventine eintrifft, bevor unsere Kräfte erlahmen.«
Messaline hetzte davon. Die heftigen Stöße des großen Rammbocks erschütterten die große Mauer, während Balinor und Durin einander anstarrten. Schon wurde das graue Tageslicht düsterer, als der Schatten des Dämonen-Lords der dem Untergang geweihten Stadt drohend näherrückte. Balinor griff nach der Hand seines Freundes.
»Lebt wohl, mein Freund. Das ist das Ende für uns. Die Zeit ist abgelaufen.«
»Eventine würde uns nie bewusst im Stich lassen…« begann der Elf.
»Ich weiß, ich weiß«, erwiderte Balinor. »So wenig wie Allanon. Er hat das Schwert oder den Erben von Shannara nicht gefunden. Auch seine Zeit ist abgelaufen.«
Sie schwiegen einen Augenblick und hörten das Geschrei der Männer auf den Wällen und die Stöße des Rammbocks am Tor. Balinor wischte sich Blut vom Gesicht.
»Sucht Euren Bruder, Durin. Aber bevor Ihr die Außenmauer verlasst, soll das letzte Öl auf den Rammbock
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