Shannara I
halb abgewandte, verwundbare Hinterteil des Häuptlings, der gellend aufschrie. Selbst das unglückliche Opfer hatte keine Zeit, wohl auch keine Neigung, sich zu überlegen, woher der peinliche Angriff kam oder wer der Bösewicht sein mochte. Der Gnomen-Häuptling hüpfte einige Sekunden lang, vor Schmerz und Entsetzen schreiend, herum, während ihm seine Leute verwirrt zusahen, was sich jedoch schnell ändern sollte. Ihre Zeremonie war brutal gestört worden, und einen ihrer Häuptlinge hatte ein heimtückischer Schuß aus dem Hinterhalt getroffen. Sie fühlten sich gedemütigt und waren vor Wut außer sich.
Binnen Sekunden, nachdem die Pfeile ihre Ziele getroffen hatten, und bevor noch irgend jemand Gelegenheit fand, sich zu sammeln, tauchte oben auf dem Nordhang im Paß eine Fackel auf, die ein riesiges Feuer entzündete; es loderte in den Nachthimmel hinauf, als sei die Erde selbst geborsten, um auf die Schreie der rachsüchtigen Gnome zu antworten. Vor dem aufzuckenden Feuer stand die breite, regungslose Gestalt des Zwergen Höndel, die Arme herausfordernd erhoben, eine Hand um den mächtigen Streitkolben gelegt, allen trotzen wollend, die zu ihm herauf starrten. Sein Lachen hallte dröhnend von den Felswänden wider.
»Kommt, Gnome - ihr Würmer!« brüllte er höhnisch. »Steht auf und kämpft - einer von euch wird geraume Zeit nicht sitzen können. Eure läppischen Götter können euch nicht vor der Macht eines Zwerges bewahren, geschweige denn die Geister des Wolfsktaag!«
Der Aufschrei, der sich den Gnomenkehlen entrang, war erschreckend. Wie ein Lavastrom wälzten sie sich zum Paß, um die höhnende Gestalt auf dem Hang über ihnen zu packen, entschlossen, ihm für die Schande und Demütigung, die er ihnen zugefügt, das Herz herauszureißen. Einen Häuptling zu verwunden, war schlimm genug, aber ihre Religion und ihren Mut im selben Atemzug zu beleidigen, war unverzeihlich. Einige der Gnome erkannten den Zwerg augenblicklich und schrien den anderen seinen Namen zu, verlangten den sofortigen Tod für ihn. Als die Gnome blindlings zum Paß stürzten und die Zeremonie vergaßen und die Feuer unbewacht ließen, sprangen die vier Männer auf der anderen Seite hoch, packten Traglasten und Bahren fester und hetzten geduckt über den freien, ungeschützten Hang, im zuckenden Feuerschein deutlich von unten sichtbar. Ihre Schatten huschten als Riesenphantome über ihnen an der Felswand mit. Niemand von ihnen achtete darauf, was die erbosten Gnome trieben; jeder rannte wie ein Wilder, den Blick nur auf den schützenden Wald gerichtet, der vor ihnen lag.
Wie durch ein Wunder gelangten sie hinüber. Im Wald blieben sie keuchend stehen und lauschten auf die Geräusche im Paß. Das Gelände davor war verlassen, bis auf eine kleine Gruppe von Gnomen, die sich um den verwundeten Häuptling bemühten. Menion lachte leise in sich hinein. Sein Lächeln verschwand aber, als er auf das an der Nordseite lodernde Feuer blickte. Die aufgebrachten Gnome kletterten von allen Seiten hinauf. Es war ein Gewimmel von kleinen, gelben Leibern, und die ersten hatten das Feuer fast schon erreicht. Von Höndel war nichts zu sehen, aber allem Anschein nach mußte er irgendwo am Nordhang in einer Falle stecken. Die vier Männer schauten nicht lange hinüber, dann gab ihnen Balinor ein Zeichen, ihre Last wieder aufzunehmen. Der Jade-Paß blieb zurück.
Es war dunkel im dichten Wald, als die Männer den Feuerschein hinter sich verschwinden sahen. Balinor schickte den Prinzen von Leah an die Spitze und trug ihm auf, an den Südhängen abwärts zu steigen, bis er einen Weg finden würde, der sie nach Westen führte. Sie brauchten nicht lange, um einen solchen Pfad zu erreichen, und die kleine Mannschaft gelangte in den Zentral-Anar. Die Wipfel der Bäume ringsum verdeckten die Sterne, die hohen Bäume standen wie schwarze Mauern am Weg. Shea und Flick warfen sich auf den Bahren wieder hin und her und stöhnten vernehmbar, trotz der dicken Knebel. Die Träger begannen die Hoffnung für ihre jungen Schützlinge aufzugeben. Das Gift breitete sich unaufhaltsam in deren Körpern aus, und wenn es in größerer Menge deren Herzen erreichte, würde das Ende schnell eintreten. Die vier Männer wußten nicht, wieviel Zeit den Brüdern noch blieb, und vermochten nicht abzuschätzen, wie weit sie von medizinischer Hilfe entfernt waren. Der einzige, der das Zentral-Anar kannte, befand sich hinter ihnen und lief um sein Leben.
Plötzlich, so schnell,
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