Shannara V
Sicherheit wegen. Selten wagten sie sich allein nach Grimpen Ward, wie Wren und Garth es jetzt taten.
Das zufällige Zusammentreffen mit einer kleinen Münzhändlerfamilie hatte das Mädchen und ihren riesigen Beschützer davon überzeugt, diese Chance wahrzunehmen. Gleich am Tag nach Garths erfolglosem Versuch, ihren Schatten zu verfolgen und in die Falle zu locken, waren sie einem alten Mann mit seinen Söhnen und ihren Frauen begegnet, die nach Norden über die Pässe von einer Reise in die Grube zurückkamen. Sie aßen mit ihnen und erzählten sich gegenseitig Geschichten, und Wren fragte einfach nur aus Gewohnheit, ob einer von ihnen etwas über das Schicksal der Westlandelfen wüßte. Der alte Mann hatte lächelnd seine zerbröckelten Zähne gezeigt und genickt.
»Ich selber nicht, Mädchen«, hatte er heiser gekrächzt und dabei an seiner Pfeife gekaut, die er rauchte, und seine grauen Augen gegen das Licht zugekniffen. »Aber in der Eisernen Feder in Grimpen Ward, da ist eine Alte, die was weiß. Die Aggershag nennt man sie. Hab’ nicht selbst mit ihr gesprochen, weil ich nicht in die Bierhäuser im Ward geh’, aber man sagt, die Alte kennt die Geschichte. Eine Seherin, sagt man. Wunderlich wie die Sünde, vielleicht irre.« Er beugte sich in den Schein des Feuers. »Sie benutzen sie irgendwie. Sind eine Bande heimtückischer Schlangen. Lassen sich von ihr die Geheimnisse verraten, um den anderen das Geld zu klauen.« Er schüttelte den Kopf. »Wir haben uns da rausgehalten.«
Später, als die Familie schlief und sie allein waren, hatten Wren und Garth es besprochen. Die Gründe, dem Wilderun fernzubleiben, waren nur zu klar, aber es gab auch Gründe hinzugehen. Zum einen war da die Angelegenheit mit ihrem Schatten. Er war noch immer da, irgendwo außer Sicht und nicht zu fassen, sorgfältig versteckt wie die Drohung des einsetzenden Winters. Sie konnten ihn nicht erwischen, und trotz ihrer Bemühungen und Fähigkeiten konnten sie ihn auch nicht abschütteln. Er klebte an ihnen wie Spinnweben, wehte unsichtbar hinter ihnen her. Der Wilderun, überlegten sie, mochte weniger nach seinem Geschmack sein und mochte ihn, mit ein wenig Glück, zu Schaden kommen lassen.
Und zum anderen war da natürlich die unbestreitbare Tatsache, daß Wren, seit sie angefangen hatte, nach den Elfen zu fragen, zum allerersten Mal eine positive Antwort bekommen hatte. Es schien unvernünftig, der Sache nicht auf den Grund zu gehen.
So waren sie in den Wilderun gelangt, nur sie beide, allen Widerwärtigkeiten zum Trotz, entschlossen herauszufinden, welche Erkenntnisse ein Besuch in Grimpen Ward ihnen bringen würde. Jetzt, nach einer Woche des Reisens, würden sie es erfahren.
Sie steuerten auf das Stadtzentrum zu, ihre Augen huschten schnell, aber aufmerksam umher. Sie kamen an vielen Bierhäusern vorbei, doch sie fanden keine Eiserne Feder. Männer torkelten an ihnen vorbei und auch ein paar Frauen; alle wirkten zäh und hart und stanken nach Bier und Schweiß. Geschrei und Gelächter wurden lauter, und sogar Garth schien zu spüren, wie ungestüm und wild sie waren. Sein grobes Gesicht war grimmig und finster. Mehrere der Männer näherten sich Wren, betrunken und stumpf, geil auf Geld oder Lust, blind für die Gefahr, die sich in Garths Augen spiegelte. Der große Fahrende scheuchte sie davon.
An einer Straßenkreuzung entdeckte Wren eine Gruppe von Fahrenden, die am Ende der unbeleuchteten Straße auf dem Rückweg zu ihren Wagen waren. Sie rief sie an und fragte, ob sie die Eiserne Feder kannten. Einer schnitt eine Grimasse und wies in eine Richtung. Die Bande eilte ohne Kommentar davon. Wren und Garth gingen weiter.
Sie fanden die Kneipe im Zentrum von Grimpen Ward, ein ausladendes, baufälliges Gebäude aus zersplitterten Brettern und rostigen Nägeln. Der Verandavorbau war grell rot und blau angestrichen. Breite Doppeltüren standen offen und waren mit Stricken angebunden. Im Inneren drängten sich Männer an der langen Theke und auf Bretterbänken vor langen Tischen, sangen und tranken. Wren und Garth traten ein und spähten durch den heißen, rauchigen Dunst. Ein paar Köpfe drehten sich nach ihnen um; Augen starrten sie einen Moment an und wandten sich wieder ab. Keiner wollte Garths Blick begegnen. Wren drängte sich bis an die Theke und bestellte zwei Bier. Der Wirt, ein schmalgesichtiger Mann mit sicheren Händen, stellte die Krüge vor sie hin und wartete auf das Geld.
»Kennst du eine Frau namens
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