Shannara V
ihr Leben zu bewahren.«
Quickening setzte sich mit dem Rücken gegen die Wand und musterte ihn. »Eine ganze Menge, Walker Boh. Wie Carisman. Und wie du selbst.«
Er ließ sich neben ihr nieder, zog sich seinen Umhang fest um die Schultern und hob sein Gesicht ins Licht. »Ich hatte dabei nicht an mich gedacht.«
»Dann mußt du das tun«, sagte sie einfach. »Du mußt es erkennen.«
Er starrte sie an. »Erkennen? Was denn?«
»Die Möglichkeiten deines Lebens. Die Gründe, warum du bist, was du bist. Wärest du ein Elementarwesen, würdest du es verstehen. Mir wurde das Leben mit einem bestimmten Ziel gegeben. Es ist undenkbar und wäre entsetzlich, ohne dieses Ziel zu existieren. Geht dir das nicht so?«
Walker fühlte, wie sein Gesicht sich anspannte. »Ich habe ein Ziel in meinem Leben.«
Ihr Lächeln war unerwartet und verblüffend. »Nein, Walker Boh, das hast du nicht. Du hast jeden Sinn für ein Ziel von dir gewiesen und dich selbst zweifach zu einem Außenseiter gemacht - zum ersten, weil du mit dem Erbe von Brin Ohmsfords Magie geboren wurdest, und zweitens, weil dir ihr Vermächtnis zugefallen ist. Du verleugnest, wer und was du bist. Als ich deinen Arm heilte, habe ich dein Leben gelesen. Sag mir, es ist nicht so.«
Er holte tief Luft. »Woher kommt es, daß ich das Gefühl habe, wir seien uns so ähnlich? Es ist weder Liebe noch Freundschaft. Es ist etwas dazwischen. Bin ich irgendwie mit dir verbunden?«
»Unsere Magie, Walker Boh.«
»Nein«, widersprach er eilig. »Es ist mehr als das.«
Ihr hübsches Gesicht zeigte keine Spur der Emotion, die in ihren Augen aufflackerte. »Es ist das, was wir zu tun hergekommen sind.«
»Den Steinkönig zu finden und ihm den gestohlenen schwarzen Elfenstein wieder wegzunehmen. Irgendwie.« Walker nickte feierlich. »Und für mich, meinen Arm zurückzugewinnen. Und für Morgan Leah, die Magie des Schwertes von Leah zurückzugewinnen. Alles irgendwie. Ich habe deine Erklärungen angehört. Stimmt es, daß dir nicht gesagt wurde, wie das alles erfüllt werden soll? Oder gibt es Geheimnisse, die du uns vorenthältst, wie Pe Ell dir vorwirft?«
»Walker Boh«, sagte sie leise. »Du drehst meine Frage zu deiner eigenen um und verlangst von mir, was ich von dir erbitten wollte. Beide halten wir einen Teil der Wahrheit zurück. Lange kann das nicht mehr so weiter gehen. Ich schlage dir einen Handel vor. Wenn du bereit bist, dich deiner Wahrheit zu stellen, werde ich mich der meinen stellen.«
Walker versuchte sie zu verstehen. »Ich fürchte die Magie nicht mehr, mit der ich zur Welt gekommen bin«, sagte er und betrachtete ihre Gesichtszüge, die Linien und Kurven und Winkel, als könne sie verschwinden, ehe er Zeit gehabt hätte, sie sich einzuprägen. »Mein Neffe Par Ohmsford ermahnte mich einmal, daß die Magie eine Gabe, nicht ein Fluch sei. Ich wies es von mir. Ich hatte Angst vor den Folgen, die der Besitz der Magie mit sich brachte. Ich fürchtete …«
Er fing sich mit eisernem Griff, der sich augenblicklich um seine Kehle und seine Gedanken legte. Der Schatten von etwas Entsetzlichem hatte sich ihm gezeigt, ein Schatten, der ihm im Laufe der Jahre vertraut geworden war. Er hatte kein Gesicht, doch er sprach mit den Stimmen von Allanon und Cogline und seinem Vater und sogar seiner eigenen. Er wisperte von Geschichte und Bedürfnissen und Gesetzen der Menschheit. Heftig stieß er ihn fort.
Quickening lehnte sich vor und berührte sein Gesicht mit zarten Fingern.
»Ich fürchte nur, daß du fortfährst, dich selbst zu verleugnen«, flüsterte sie, »bis es zu spät ist.«
»Quickening …«
Ihr Finger legten sich auf seine Lippen und hießen ihn schweigen. »Das Leben hat eine Ordnung für all die verschiedenen Ereignisse und Geschehnisse und alles, was wir in der uns gegebenen Zeit tun. Wir können diese Ordnung verstehen, wenn wir es uns erlauben, wenn uns das Wissen nicht erschreckt. Wissen allein reicht nicht, wenn wir nicht gleichzeitig dieses Wissen akzeptieren. Irgendwer kann dir das Wissen vermitteln, Walker Boh, doch du allein kannst lernen, es zu akzeptieren. Das muß von innen kommen. Deshalb hat mein Vater mich ausgesandt, dich und Pe Ell und Morgan Leah nach Eldwist zu bringen; deshalb wird die Kombination eurer Magie den schwarzen Elfenstein befreien und den Heilprozeß der Vier Länder einleiten. Ich weiß, daß dies geschehen wird. Wenn die Zeit gekommen ist, werde ich wissen, wie. Aber ich muß bereit sein, die Wahrheit zu
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