Shannara V
bewußt im unklaren gelassen wurde. Sie haßte es, so behandelt zu werden. Es war offensichtlich, daß niemand ihr jemals etwas über die Elfen und Morrowindl erzählen würde, es sei denn, sie betrieb diese Angelegenheit mit Nachdruck.
Sie erreichte das Floß, als es gerade auf den Rowen hinausgeschoben wurde, begegnete Gavilans offen feindlichem Blick mit der gleichen Feindseligkeit und rückte bewußt näher an Garth heran. Die Elfenjäger standen bereits bis zu den Knien im Wasser und stabilisierten das Floß. Stresa sprang an Bord, ohne dazu aufgefordert worden zu sein, und machte sich mitten zwischen den Rucksäcken und dem Proviant breit, genauso, wie er es angedroht hatte. Niemand machte Einwände, niemand sagte etwas. Eowen und die Königin wurden von Triss zu ihren Plätzen geführt, wobei die Königin den Ruhkstab fest in beiden Händen hielt. Wren und Garth folgten. Gemeinsam schoben alle das Floß vom Ufer frei, dann beugten sie sich vor, damit die Stämme das Gewicht ihrer Oberkörper tragen konnten, und ihre Hände griffen nach den Seilen, die zu genau diesem Zweck befestigt worden waren.
Augenblicklich nahm die Strömung sie auf und begann sie fortzutragen. Diejenigen, die dem Ufer am nächsten waren, versuchten dabei, das Floß mit den Füßen von Sandbänken, Felsen und Baumwurzeln abzustoßen, die sie sonst vielleicht behindert hatten. Der Killeshan rumorte weiter, Feuer und Asche wurden ausgespien, und der Vulkan zeigte polternd sein Mißvergnügen. Der Himmel wurde von einer neuen Schicht aus Vog verdunkelt, und noch mehr Wolken bewegten sich vor dem Licht. Das Floß schwamm hinaus in die Mitte des Stromes, schaukelte mit der Bewegung des Wassers und nahm an Geschwindigkeit zu. Die Eule rief ihnen Anweisungen zu, und sie versuchten ohne Erfolg, das Floß auf das jenseitige Ufer zuzusteuern. Geysire brachen durch das Lavagestein der Küstenlinie hinter ihnen und ließen die Felsenhaut des hochgelegenen Landes bersten, wobei sie Dampf und Gas himmelwärts stießen. Der Rowen erzitterte unter der Macht der Erdstöße und begann sich aufzulehnen. Das Wasser wurde unruhig, und kleine Strudel bildeten sich überall. Schutt wirbelte vorbei und wurde auf den Wellenkämmen getragen. Das Floß wurde geschlagen und gestoßen, und während sie sich an ihm festklammerten, waren sie gezwungen, all ihre Kraft aufzuwenden, nur um oben zu bleiben.
»Zieht eure Beine ein!« rief die Eule warnend. »Haltet euch fest!«
Sie trieben flußabwärts. Das Ufer flog als verschwommener Eindruck von gezackten Bäumen, zerklüfteten Lavafeldern, Nebel und Dunst vorbei. Der Vulkan verschwand hinter ihnen. Durch eine Biegung des Flusses und die Ausläufer des Tales, in das sie kamen, wurde er ihrer Sicht entzogen. Wren spürte, daß alles mögliche in sie hineinstach und sie stieß, gegen sie schlug, wieder fortwirbelte und vorbeipeitschte, als würde es von einem unsichtbaren Seil hin- und herbewegt. Ihre Hände und Finger begannen durch das anstrengende Festhalten an den Seilen zu schmerzen, und ihr Körper war durch das eisige Bergwasser zur Gefühllosigkeit gefroren. Das Rauschen des Flusses übertönte das Brüllen des Vulkans, aber sie konnte ihn noch immer unter sich erbeben fühlen. Es war, als ob er aufwachte, im Fieber hochschreckte und in Krämpfen auseinanderbrach. Klippen tauchten vor ihnen auf, die sich wie unpassierbare Mauern erhoben. Doch gleich darauf befanden sie sich zwischen ihnen, denn der Fels hatte sich auf wundersame Weise geteilt, um den Rowen durch einen Engpaß hindurchstürzen zu lassen. Ein paar Minuten lang waren die Stromschnellen so stark, daß es schien, als würden sie auf den Felsen zerschellen. Doch dann kamen sie wieder frei, die Stromrinne verbreiterte sich erneut, und die Klippen wichen in die Ferne zurück. Sie wirbelten durch eine Ansammlung von breiten, unförmigen Felsen und landeten in einem See, der sich in den grünen Dunst eines Dschungels erstreckte.
Der Fluß wurde langsamer und beruhigte sich. Das Floß hörte auf umherzuwirbeln und begann gemächlich auf die Mitte des Sees zuzutreiben. Nebel hing dick über dessen schimmernder Oberfläche, schloß das Ufer auf beiden Seiten von der Sicht aus und verwandelte es in eine tiefe, grüne Oase der Stille. Von irgendwo in der Ferne erklang Killeshans ärgerliches Rumpeln.
In der Mitte des Floßes hob Stresa zögernd seinen Kopf und schaute sich um. Die scharfen Augen des Stachelkaters bewegten sich schnell und suchten Wren:
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