Shannara V
eine Elessedil. Was man auch wählte - es würde passen. Sie war ein Elf und ein Mensch. Sie war das Kind mehrerer Familien, einer, die sie geboren hatte, und zweier weiterer, die sie aufgezogen hatten.
Wer bin ich?
Sie war ein Wesen der Magie, Erbin der Elfensteine, Wächterin des Ruhkstabes und des Loden. Sie trug dies alles. Es waren Verpflichtungen, die ihr auferlegt worden waren, Verantwortlichkeiten, die sie hatte übernehmen sollen. Die Magie gehörte ihr, und sie haßte schon allein den Gedanken daran. Sie hatte niemals darum gebeten, sie mit Sicherheit niemals gewollt und konnte sie anscheinend doch nicht loswerden. Die Magie war ein Schatten in ihr, ein dunkles Spiegelbild ihrer selbst, das auf Kommando zu ihrer Verfügung stand, und sie gewinnen wollte, indem es ihr Gefühle vermittelte, wie nichts sonst es konnte, und gleichzeitig ihre Vernunft und ihren Verstand stahl. Es drohte sie vollständig einzunehmen. Die Magie tötete sogar für sie - Feinde natürlich, aber auch Freunde. Eowen. Hatte die Magie nicht Eowen getötet? Wren kämpfte gegen ihre Verzweiflung an. Die Magie brachte Zerstörung - was in Ordnung war, weil sie das ja von ihr erwartete, aber gleichzeitig war das alles falsch, weil es wahllos geschah, und selbst wenn sie die richtige Wahl traf, beraubte sie sie ein wenig mehr solcher Fähigkeiten wie Mitgefühl, Empfindsamkeit, Reue und Liebe, jener Weichheit, die das Harte ausglich. Sie wütete wie ein Feuer unter der Vielfalt ihrer Möglichkeiten und ließ sie mit wenigem zurück.
Sie erkannte, daß sie auch jetzt keine Wahlmöglichkeit hatte.
Wind war aufgekommen, zuerst leicht und unregelmäßig, aber inzwischen heftig und rauh, als er über die Ebenen blies, die Skelette der Bäume erzittern und die Schluchten summen und klagen ließ. Er blies über ihre Schultern und drängte sie so zur Seite, wie es einem gedankenverlorenen Fremden in einer Menschenmenge ergehen mochte. Sie senkte abwehrend den Kopf gegen diese weitere Belastung, die sie erdulden mußte, gegen dies neue Hindernis. Das Licht im Westen war verschwunden, und sie war in Dunkelheit gehüllt. Es war nicht mehr sehr weit, sagte sie sich matt. Die anderen warteten genau vor ihr am Rande des Harrow.
Genau vor ihr.
Sie lachte. Was machte es schon aus, ob sie da waren oder nicht? Was machte denn überhaupt noch etwas aus? Ihr Leben würde mit ihr tun, was es wollte, genauso wie das schon die ganze Zeit gewesen war, seit sie auf die Suche nach sich selbst gegangen war. Nein, verbesserte sie sich, schon länger. Vielleicht schon immer. Sie lachte noch einmal auf. Die Suche nach sich selbst, ihrer Familie, den Elfen, der Wahrheit - was für eine Dummheit! Sie konnte den spöttischen Klang ihrer eigenen Stimme hören, während sich ihre Gedanken jagten.
Einer Stimme, die im Wind widerhallte.
Was macht es? flüsterte sie.
Welchen Unterschied?
Ihre Gedanken wandten sich ungebeten Eowen zu, die so sanft und freundlich gewesen war und trotz ihrer seherischen Gabe verdammt, von ihrem Schicksal verschlungen zu werden. Was hatte es Eowen genützt, ihre Zukunft zu kennen? Was würde es irgend jemandem von ihnen nützen? Was nützte es in der Tat, auch nur zu versuchen, auf sie Einfluß nehmen zu wollen? Alles sinnlos, wütete sie, weil sie letztendlich doch mit dir machen würde, was sie wollte. Sie wird dich zu dem machen, was sie will, dich hinführen, wohin sie will, und dort nach ihrem eigenen Dafürhalten zurücklassen.
Rund um sie herum heulte der Wind. Laß los!
Sie hörte es, nickte verstehend und begann zu weinen. Die Worte liebkosten sie wie die Hände einer Mutter, und sie hieß jede Berührung willkommen. Alles schien zu vergehen. Sie ging - wohin? Sie blieb nicht stehen, hielt nicht inne, um danach zu fragen, sondern ging einfach weiter, weil die Bewegung half, sie von dem Schmerz und der Qual fortzubringen. Sie hatte etwas zu tun - was? Sie schüttelte den Kopf, konnte es nicht bestimmen und wischte mit dem Handrücken ihre Tränen fort. Mit der Hand, die die Elfensteine festhielt.
Sie schaute verwundert auf sie hinab und entdeckte überrascht, daß die Steine noch immer da waren. Die Magie pulsierte in ihrer Faust, in den Fingern, die fest darum geschlossen waren, und ihr blaues Glühen drang durch die Ritzen und ergoß sich in die Dunkelheit. Warum tat sie das? Sie sah bestürzt hin und wurde von dem unbestimmten Gedanken gequält, daß etwas falsch war. Warum brannte es so?
Laß los, flüsterte die
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