Shannara VI
verblaßte um sie herum, während sie weitergingen, und die Dämmerung erhob sich im Osten als silberner Schimmer, der als frostiges, trübes Licht durch die Fenster der Festung hereinsickerte. Walker bemerkte es kaum, denn sein Blick war auf die Bewegungen der Moorkatze gerichtet, während sie durch die sich überschneidenden Schatten glitt. Seine Ohren bemühten sich, etwas zu hören und vielleicht einen Hinweis darauf zu finden, was sie erwartete. Aber die Stille blieb ungebrochen.
Sie kletterten vom Hauptgang zu den Toren der Festungsmauer hinauf und traten ins Freie. Die Dämmerung war kühl und fühlte sich leer an. Nebel lag über dem ganzen Tal, erklomm die Wand der Drachenzähne im Osten und erstreckte sich westlich bis zum Streleheim als Decke, die alles Dazwischenliegende verbarg. Paranor lag eingewickelt in ihre oberen Falten, seine hohen Türme waren aus einem Nebelmeer herausragende Inseln. Der Nebel wirbelte umher, aufgerührt von den Winden, die von den Bergen herabwehten. Und in dem schwachen Licht der frühen Dämmerung wurden seltsame Umrisse und Formen lebendig.
Ondit tappte den Weg hinab, schnüffelte in die Luft, während er weiterging, und sein Schwanz schlug erregt hin und her. Walker folgte ihm. Sie umrundeten die westliche Brustwehr, ohne ihren Schritt zu verlangsamen. Sie sahen nichts und hörten nichts. Sie überquerten freiliegende Treppen und kamen an Turmeingängen vorbei. Sie bewegten sich wie Geister auf der Jagd.
An der westlichen Festungsmauer verlangsamte Ondit plötzlich seinen Schritt. Die Haare im Nacken der Katze stellten sich aufrecht, und ihre dunkle Schnauze verzog sich zu einem Fauchen. Walker trat neben sie und legte schnell eine beruhigende Hand auf das rauhe Rückenfell. Ondit schaute jetzt hinaus in die Dunkelheit. Sie standen direkt über dem Westtor des Schlosses.
Walker spähte in den Nebel. Jetzt konnte auch er es spüren.
Etwas war dort draußen.
Die Sekunden vergingen, und nichts zeigte sich. Walker begann ungeduldig zu werden. Vielleicht sollte er hinausgehen und nachschauen.
Dann verzog sich der Nebel plötzlich. Er schien sich zurückzuziehen, als würde er abgedrängt, und die Reiter erschienen. Es waren vier, und sie wirkten in dem schwachen Licht unheimlich und geisterhaft. Sie kamen langsam heran, zielbewußt und so grau wie die Düsterkeit, die ihr Herannahen verborgen hatte. Vier Reiter auf ihren Reittieren, aber keiner war menschlich, und die Tiere, die sie ritten, waren widerliche Mißgebilde, ganz Schuppen und Klauen und Zähne. Vier Reiter, jeder deutlich anders als die anderen, jeder mit einem Reittier, das ein Spiegel seiner selbst war.
Walker Boh wußte sofort, daß sie Schattenwesen waren. Er wußte auch, daß sie seinetwegen gekommen waren.
Kühl und leidenschaftslos betrachtete er sie.
Der erste war groß und hager und leichenhaft. Die Knochen drückten durch seine straffgespannte Haut nach außen, der skelettartige Umriß war vornübergebeugt wie eine Katze auf der Jagd. Als Gesicht grinste ihn ein Schädel an, dessen Kinn schlaff herunterhing und dessen Augen herausstarrten. Sie waren zu weit geöffnet und zu leer, um sehen zu können. Er trug keine Kleidung, und sein nackter Körper war weder der eines Mannes, noch der einer Frau, sondern etwas zwischen beidem. Sein Atem bewölkte die Luft vor ihm mit einem scheußlichen, grünen Nebel.
Dem zweiten fehlte jeglicher Anschein einer Identität. Er hatte die Gestalt eines Menschen, aber keine Haut oder Knochen. Er war statt dessen eine wirbelnde Wolke Dunkelheit, die in dieser Gestalt summte und schrie, die Wolke hatte das Aussehen von Fliegen oder Moskitos, die hinter Glas gefangen sind, so dicht versammelt, daß sie das Licht ausschließen. Die häßlichen Töne, die dieser Reiter ausstieß, schienen davor zu warnen, daß er in seiner geisterhaften Form ein Übel verbarg, das zu furchtbar war, als daß man es sich hätte vorstellen können.
Der dritte war deutlicher erkennbar. Von Kopf bis Fuß bewaffnet, drohte er mit Dornen, messerscharfen Kanten und Waffen. Er trug Streitkolben und Messer, Schwerter und Streitäxte mit sich und einen großen Speer, der mit Schädeln und zu einer Kette zusammengefügten Fingerknochen versehen war. Ein Helm verbarg sein Gesicht, aber die durch den Visierschlitz spähenden Augen glühten so rot wie Feuer.
Der letzte Reiter trug einen Umhang mit Kapuze und war so unsichtbar wie die Nacht. Kein Gesicht war unter der tarnenden Kapuze zu erkennen.
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