Shannara VI
Schattenwesen verraten? Wußten seine Feinde, was bereits geschehen war: daß er ein Druide geworden war, und daß Paranor zurückgebracht worden war? Wie stark war die Magie der Schattenwesen? Wie weit reichte sie? Er sollte dies nicht so bald ausprobieren, sagte er sich immer wieder. Er mußte erst noch seine eigene Magie kennenlernen. Er erforschte sie noch. Er sollte nicht übereilt entscheiden, was er tun wollte.
Die Diskussion dauerte an, und allmählich begann Walker zu erkennen, daß jetzt etwas anders war zwischen Cogline und ihm. Er dachte zuerst, daß sein Widerwille, einen Kurs für sein Vorgehen zu bestimmen, einfach Unschlüssigkeit war - obwohl ihm dies nicht sehr ähnlich sah. Er erkannte bald, daß etwas gänzlich anderes die Ursache war. Während sie miteinander sprachen, wie sie es seit jeher getan hatten, war eine Distanz zwischen ihnen, die niemals zuvor dagewesen war, nicht einmal, als er auf den alten Mann wütend gewesen war und ihm mißtraut hatte. Die Beziehung zwischen ihnen hatte sich verändert. Walker war kein Schüler mehr und Cogline nicht mehr der Lehrer. Walkers Umwandlung hatte ihn mit einem Wissen und einer Macht ausgestattet, durch die er Cogline weit überlegen war. Walker war nicht mehr der Dunkle Onkel, der sich draußen im Darklin Reach verbarg. Die Zeiten des Lebens abseits der Rassen, wo er sein Geburtsrecht leugnete, waren vorbei. Walker Boh war dem überlassen, was er und wer er geworden war - ein Druide, der einzige Druide, vielleicht das einzige wirklich mächtige lebende Individuum überhaupt. Was er tun würde, konnte das Leben aller beeinflussen. Walker wußte das. Und da er dies wußte, akzeptierte er, daß seine Entscheidungen seine eigenen sein mußten und niemals wieder geteilt werden konnten, weil niemand, nicht einmal Cogline, das Gewicht solch furchtbarer Verantwortung tragen sollte.
Als sie sich schließlich trennten, um schlafen zu gehen, da sie erneut erschöpft waren von ihren Bemühungen, stellte Walker fest, daß er von sehr verschiedenartigen Gefühlen bestürmt wurde. Er war so weit über den Menschen hinausgewachsen, der er gewesen war, daß er auf vielerlei Arten kaum wiederzuerkennen war. Er war sich bewußt, daß der alte Mann hinter ihm hersah, als er sich den Gang hinab zu seinem Schlafraum zurückzog und konnte das Gefühl nicht abschütteln, daß sie sich mit jedem Schritt auch auf andere Weise voneinander entfernten.
Cogline. Der Druide, der niemals einer gewesen war, war zum Begleiter geworden für jenen Druiden, der sein würde - was empfand er wohl?
Walker wußte es nicht. Aber er akzeptierte widerwillig, daß von dieser Nacht an die Dinge zwischen ihnen niemals wieder die gleichen sein würden wie früher.
Dann schlief er ein, und seine Träume waren dürftig und von Gesichtern und Stimmen erfüllt, die er nicht erkennen konnte. Die Dämmerung war schon fast hereingebrochen, als er erwachte und eine Dringlichkeit ihn ergriff und ihm heimtückisch etwas zuflüsterte. Er wurde aus dem Schlaf getrieben wie ein Schwimmer aus dem Wasser, der die Oberfläche durchstößt und in tiefen Zügen Luft schöpft. Einen Moment lang war er wie gelähmt und vor Unsicherheit wie erstarrt, während sein Herz in seiner Brust pochte und seine Augen und Ohren darum kämpften, die Dunkelheit um ihn herum zu durchdringen. Schließlich konnte er sich bewegen, schwang die Beine vom Bett und fühlte sich beruhigt durch das Gefühl festen Gesteins unter seinen Füßen. Er erhob sich und wurde sich der Tatsache bewußt, daß er noch immer die dunklen Gewänder trug. Er war zu müde gewesen, die Kleidung abzulegen.
Etwas rührte sich unmittelbar vor seiner Tür, ein leises Tappen, ein Reiben an dem alten Holz.
Ondit.
Er ging zur Tür und öffnete sie. Die große Katze stand unmittelbar davor und sah zu ihm auf. Sie beschrieb vorsichtig einen Kreis von ihm fort und kam wieder zurück, wobei sie den großen Kopf mit glühenden Augen schwingen ließ.
Ondit will, daß ich ihm folge, dachte Walker. Etwas stimmt nicht.
Er wickelte sich in einen schweren Umhang und trat aus seinem Schlafraum in die grabähnliche Stille der Festung. Steinmauern dämpften das Geräusch seiner Füße, während er die alten Gänge hinabeilte. Ondit ging in der Dunkelheit voraus. Geschmeidig und finster tappte er lautlos durch die Schatten. Ohne ihre Schritte zu verlangsamen, durchquerten sie jenen Raum, in dem Cogline schlief. Dort lag das Problem offenbar nicht. Die Nacht
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