Shannara VI
sein, was er geworden war, sich mit dem, was er war, wohl zu fühlen, aber er begann allmählich, sich eins zu fühlen, und er glaubte zumindest, es zu sein.
Der Boden unter ihm war schwarz und abgebrannt und versengt, und so kahl, leer und zerstört, wie er war, fehlte ihm jedes Leben. Die Schattenwesen hatten das bewirkt, aber er wußte noch nicht, welche Art Gift es war. Heute nacht, dachte er, würde er es vielleicht erfahren.
Die Südwache ragte vor ihm auf. Ihr schwarzer Turm erhob sich hoch über ihm, und dessen messerscharfe Spitze strebte dem Himmel entgegen. Er konnte das Leben darinnen spüren. Er konnte seinen Puls spüren. Die Südwache lebte. Es war Magie in ihren Mauern, Magie, die sie gestaltet hatte und die sie jetzt unterhielt und beschützte. Die Magie war mächtig, aber auch zurückhaltend. Er konnte das spüren. Er konnte ihre verzweifelten Bemühungen spüren, befreit zu werden. Tief in dem schwarzen Stein kauerte sie wie ein gefangenes Tier. Schattenwesen gingen innerhalb und außerhalb umher. Vor dem dunklen, hütenden Wachturm waren sie kaum sichtbar. Die Magie floh vor ihnen.
Ein Teil des Nebels, ein Teil der Nacht, so leise wie schwebende Asche, so näherte er sich den Mauern. Offensichtlich spürten die Schattenwesen sein nahes Vorüberziehen und Weitergehen nicht. Er kam zu den Toren des Keep und glitt schnell davon. Sie waren zu gut bewacht, als daß er sich hindurchwagen konnte. Sogar als Geist konnte er das nicht. Er wartete, bis eines der dunklen Wesen durch einen Riß in der Steinhülle hineinglitt, und folgte ihm. Er spürte, wie das Gewicht des Turmes sich dabei um ihn verdichtete wie ein greifbares Wesen. Er schlang seine Arme um sich gegen das Böse, das durch die Luft wirbelte, und spürte es als eine Mischung aus furchtbarem Zorn und Haß und Verzweiflung. Wo, fragte er sich überrascht, kam das her?
Er zögerte bei der Wahl seiner Richtung und folgte der Magie dann impulsiv zu ihrem Ursprung. Nur einen Moment lang, nur einen Blick darauf werfen. Die Magie drang von unten herauf, von tief aus der Erde unter dem Keep. Sie war ganz Dunkelheit und blinde Wut. Er glitt die Gänge der Festung entlang und achtete darauf, die Mauern nicht zu berühren, nichts von Substanz zu berühren, denn auch in Geistergestalt konnte er vielleicht erspürt werden. Die Wachen waren hier mächtig, mächtiger, als jene von Uhl Belk in Eldwist gewesen waren, mächtiger sogar als jene der Druiden in der Halle der Könige. Die Magie war unglaublich mächtig, eine großartige, zerstörerische Macht, die alles vernichten konnte.
Alles, korrigierte er sich, außer den Banden, die sie sicherten und sie den Schattenwesen unterworfen hatten.
Er stieg eine Treppe abwärts, wand sich durch die Schwärze und hörte das erste Mal das Geräusch von etwas, das mahlte und sich aufblähte, von etwas, das arbeitete. Es klang wie ein angeketteter Drache. Es hatte den Geschmack und Geruch von Schweiß. Es hob und senkte sich wie ein Blasebalg in einer Schmiede - und doch war es nicht so einfach. Hieraus bezog die Magie ihr Leben, wie er spürte. Hier wurde sie geboren.
Dann erreichte er Wächter, an denen selbst ein Geist nicht unentdeckt vorbeigelangen konnte, und er mußte ausweichen. Er befand sich nah an dem, was in den Kellern der Südwache gefangen war, nah am Ursprung der Magie, an dem Geheimnis, das die Schattenwesen so sorgfältig verborgen hielten. Aber er konnte nicht näher herankommen, und so würde das Geheimnis bestehenbleiben.
Er stieg die Treppe wieder hinauf, eilte wie ein kurzes Aufflackern eines Gedankens und nicht mehr durch die Düsterkeit. Er kam auf seinem Weg noch an weiteren Schattenwesen vorüber, und einer oder zwei verlangsamten ihre Schritte, bevor sie weitergingen, aber keiner entdeckte ihn. Er begab sich jetzt auf die Suche nach Par, denn er wußte, daß der Talbewohner ein Gefangener war, und wollte herausfinden, wo er festgehalten wurde und ob er noch immer er selbst war. Denn es bestand Grund zu der Annahme, daß er es vielleicht nicht mehr sein könnte. Es bestand Grund zu der Annahme, daß er verwandelt worden und verloren war.
Walker Bohs Herz war hart wie Stein, während er über diese Möglichkeit nachdachte. Die Zeichen waren da, daß es geschah. Es hatte mit der Verwandlung von Pars Magie begonnen, mit der Entwicklung des Wunschgesangs zu mehr, als er gewesen war, als Par seine Reise zum Hadeshorn und zu Allanon angetreten hatte. Es war mit dem Zusammenbruch seines
Weitere Kostenlose Bücher