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Shannara VI

Titel: Shannara VI Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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Eindringling, etwas, das er fast benennen konnte. Es war die Art, wie er sich bewegte oder sich hielt oder atmete. Aber wie konnte das sein?
    Die Gestalt kam näher. Sie ging nicht wie ein Mensch oder ein Tier gehen würde, sondern bewegte sich wie etwas, was weder eins von beiden und doch auch gleichzeitig beides war. Sie bahnte sich geduckt ihren Weg aus der tiefen Dunkelheit heraus und kam auf sie zu. Das Geräusch ihres Atems wurde plötzlich hörbar. Kch, kch, ein kratzendes Husten, ein Zischen. In schwarzem Umhang und mit Kapuze stand sie in dem seidigen Schutz der Nacht verborgen da, bis sie ganz plötzlich den Kopf hob und das Licht den schwachen Schimmer ihrer roten Augen auffing.
    Par spürte, wie sich Damsons Finger um seinen Arm schlossen.
    Es war ein Schattenwesen.
    Eine qualvolle Einsicht überkam den Talbewohner, als er seinen Feind erkannte. Er mußte nach allem erneut kämpfen. Er mußte den Wunschgesang erneut anrufen. Es war kein Ende abzusehen, dachte er betrübt. Wo auch immer er hinging, sie fanden ihn. Jedes Mal, wenn er geglaubt hatte, er habe die Magie das letzte Mal gebraucht, wurde er gezwungen, sie noch einmal einzusetzen. Und noch einmal danach. Immer wieder.
    Das Schattenwesen trat weiter vor. Es war nur ein Klumpen aus schwarzem Stoff und sich dahinschleppenden Gliedern. Das Wesen schien sich kaum fortbewegen zu können, und es klammerte sich an seinen Umhang, als könnte es es nicht ertragen, ihn loszulassen. Der Umhang war ebenfalls ein seltsames Ding - glänzend schwarz und so sauber wie neuer Stoff. Trotz der abgerissenen, verdreckten Erscheinung des Wesens, das ihn trug. Par spürte, wie sich die Magie des Wunschgesangs in ihm aufbaute und sich ungebeten von selbst erhob. Er war wie der Kern eines Feuers, das nicht unterdrückt bleiben würde. Er ließ sie kommen, wohl um die Nutzlosigkeit wissend, sie aufhalten zu wollen, wohl erkennend, daß er keine andere Wahl hatte. Er versuchte nicht einmal, nach einem Fluchtweg zu suchen. Fortzulaufen war nach alledem sinnlos. Das Schattenwesen würde sie einfach wieder aufspüren. Es würde immer wieder kommen, bis es endgültig aufgehalten würde.
    Bis er es töten würde.
    Er zuckte bei diesen Worten zusammen und dachte: Nicht schon wieder - und sah das Gesicht des Soldaten in dem Wachturm vor sich, sah alle ihre Gesichter, all die Toten in all diesen Begegnungen…
    Das Wesen blieb stehen. In seinem Umhang schüttelte es heftig den Kopf, als sei es von Dämonen besessen, die niemand anders sehen konnte. Es machte ein Geräusch, das auch ein Weinen sein konnte.
    Dann hob sich sein Gesicht ins Licht, und Par Ohmsford spürte, wie die Welt unter ihm versank.
    Er sah auf Coll.
    Entstellt, verzerrt, verletzt und beschmutzt, war das Gesicht vor ihm immer noch das von Coll.
    Einen Moment lang glaubte er, wahnsinnig zu werden. Er hörte Damsons ungläubiges Keuchen, spürte, wie er unfreiwillig einen Schritt zurückwich, und beobachtete, wie sich die Lippen seines Bruders, in dem verzerrten Versuch, Worte hervorzubringen, teilten.
    »Par?« hörte er.
    Er stieß einen leisen, verzweifelten Schrei aus, brach sofort ab und zwang sich selbst mit äußerster Anstrengung zur Ruhe. Nein. Nein, das war schon einmal versucht worden. Und mißlungen. Dies war nicht Coll. Dies war nur ein Schattenwesen, das vorgab, sein Bruder zu sein, ein Trick, um ihn zu täuschen…
    Warum? Er suchte nach einer Antwort. Um ihn in den Wahnsinn zu treiben. Natürlich. Um ihn zu dem zu machen… um ihn zu zwingen, zu…
    Er biß die Zähne zusammen. Coll war tot! Er hatte ihn sterben sehen, vernichtet im Feuer der Magie des Wunschgesangs - Coll! Er war doch einer von ihnen geworden, ein Schattenwesen wie dieses…
    Etwas flüsterte ganz tief in ihm, eine Warnung, die keine erkennbare Gestalt annahm, Worte, die ihn warnten, ohne daß er ihre Bedeutung verstand. Vorsicht, Talbewohner! Paß auf!
    Seine Hände umklammerten noch immer das Schwert von Shannara. Ohne nachzudenken, noch immer in Entsetzen verloren, hielt er die Klinge und die Scheide vor sich wie einen Schild.
    Sofort war das Schattenwesen über ihm. Er überwand die Entfernung zwischen ihnen im Handumdrehen und bewegte sich weitaus schneller, als es für einen so verkrüppelten Körper hätte möglich sein sollen. Es sprang ihn an, stieß einen ärgerlichen Schrei aus, und Colls Gesicht hob sich plötzlich groß und furchteinflößend vor ihm, bis es sich unmittelbar vor seinem eigenen befand und er seinen üblen

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