Shannara VII
Belagerungsmaschinen, die nach dem Überfall noch funktionierten, wurden nach vorne geschafft. Wie Riesen ragten sie in die Nacht. Ihre quadratischen, unförmigen Türme schwankten quietschend und knarrend hin und her, und die langen, gebogenen Arme der Wurfmaschinen warfen Schatten, die an gebrochene Glieder erinnerten. Lange vor Tagesanbruch begannen die verschiedenen Einheiten der Armee sich zu sammeln, und selbst am weit entfernten Eingang des Passes konnten die Elfen das Klirren von Waffen und Rüstungen hören. Das schwere Dröhnen von Stiefeln verkündete ihnen, daß die Kampfeinheiten sich formierten. Pferde wurden gesattelt und nach vorn gebracht, die Reiterei stieg auf und nahm ihre Plätze an der Seite der Armee ein, wo sie die Bogenschützen und Fußsoldaten schützen sollte. Es gab keinen Zweifel darüber, was gerade geschah, und Jerle Shannara beeilte sich mit seiner Antwort.
Der König hatte die Zeit, die ihm sein Überfall verschafft hatte, gut genutzt. Die Nordländer hatten sogar noch mehr Zeit benötigt, um sich zu erholen, als er zu hoffen gewagt hatte. Sein Überfall hatte den Belagerungsmaschinen und Versorgungswagen außerordentlichen Schaden zugefügt und die Nordlandarmee dazu gezwungen, neue Maschinen zu bauen, alte zu reparieren und mehr Material aus dem Norden herbeischaffen zu lassen. Einige Pferde waren wiedergefunden worden, aber eine große Anzahl mußte ersetzt werden. Die Nordlandarmee schwoll wieder an, als neue Verstärkung eintraf, doch die Elfen waren durch die Tatsache ermutigt, daß sie dieser überlegenen Streitmacht so leicht hatten Schaden zufügen können. Sie hatten neue Hoffnung geschöpft, und der König beeilte sich, diese zu seinem Vorteil zu nutzen.
Als erstes brachte Jerle einen großen Teil seiner Armee vom engen Paß am westlichen Ende des Tals zur Ostseite, wo das Tal sich breit zu den Ebenen hin öffnete. Es gab einen einfachen Grund dafür. Es wäre zwar leichter gewesen, den engeren Paß zu verteidigen, aber Jerle zog es vor, den Feind weiter draußen zu beschäftigen - er sollte um jeden Fuß, den er weiter ins Tal vorrücken wollte, kämpfen müssen. Allerdings barg dies die Gefahr, daß die Linie von Jerles wesentlich kleinerer Streitmacht gegenüber der Übermacht zu dünn werden würde, wenn er sie so weit auseinanderzog. Um diesem Risiko vorzubeugen, hatte der König dort, wo sich das Land zur Ebene hin weit öffnete, von besonderen Einheiten eine Reihe von tödlichen Fallen errichten lassen. Jerle traf sich mit seinen Befehlshabern, um seine Strategie zu diskutieren und einfallsreiche Alternativen auszuarbeiten, von denen er hoffte, daß sie die Übermacht der Nordlandarmee ausgleichen würden. Die Truppen des Dämonenlords würden gewinnen, wenn es ihnen gelang, die größere Anzahl ihrer Kämpfer sinnvoll einzusetzen. Und gerade dies galt es zu verhindern.
Als am zehnten Tag also der Morgen anbrach und die Nordlandarmee sich zeigte, warteten die Elfen bereits auf sie. Vier Kompanien Fußsoldaten und Bogenschützen blockierten mit schußbereiten Waffen die weite Öffnung am östlichen Taleingang. Die Reiterei unter Kier Joplin hatte sich bereits zu beiden Seiten entlang den Ausläufern der Westlandwälder verteilt, die die Felsen säumten. In etwas höheren Lagen waren drei weitere Kompanien von Elfenjägern in Stellung gegangen, von Erdwällen und Barrikaden geschützt und mit Bögen, Schlingen und Speeren bewaffnet.
Aber die Armee, die sich vor ihnen sammelte, war in der Tat entmutigend. Mehr als zehntausend Soldaten hatten sich über die Ebene verteilt, so weit das Auge reichte. Die gewaltigen Felsentrolle standen in der Mitte; ihre großen Spieße erhoben sich zu einem Wald aus Holz und Eisen. Gnome und andere Trolle führten sie an und bildeten die Flanken. Hinter ihnen stand schwere Kavallerie die Lanzen lässig in die Steigbügel gestützt. Zwillingsbelagerungstürme standen rechts und links von der Armee, und Katapulte und Wurfmaschinen waren in ihrer Mitte verteilt. Im Schimmer des neuen Sonnenlichts wirkte die Nordlandarmee groß genug, um jedes Hindernis aus dem Weg räumen zu können, das sich ihr entgegenstellte.
Erwartungsvolle Stille trat ein, als die Sonne sich über den Horizont schob und den neuen Tag verkündete. Die beiden Armeen standen sich auf dem Grasland gegenüber, Waffen und Rüstungen glänzten, Banner wehten im leichten Wind, und der Himmel war eine befremdliche Mischung aus leuchtendem Blau und mattem Grau. Über ihnen
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