Shannara VII
hat deine Magie in bestimmte Bahnen gelenkt, genau wie Bremen es vorhergesagt hatte. Er trug das fort, was dich bedrohen konnte und behielt nur das, was gebraucht wurde. Endlich hast du Kontrolle über deine Magie.«
Sie sah ihn fest an, und die Trauer in ihrem Blick war deutlich.
»Das zählt nicht mehr, Kinson. Ich möchte keine Kontrolle mehr über die Magie haben. Ich will gar nichts mehr damit zu tun haben. Ich habe genug. Ich habe genug davon - wer ich bin, woher ich komme, wer meine Eltern waren, alles, was mit mir zu tun hat.«
»Nein«, sagte er ruhig. Er hielt ihren Blick fest.
»Doch. Ich wollte der Kreatur glauben, sonst hätte ich mich nicht so einfangen lassen. Wenn du dich nicht aus ihrem Griff hättest befreien können, wären wir jetzt beide tot. Ich war nutzlos. Ich bin so von der Suche nach der Wahrheit über mich gefangen, daß ich alle um mich herum in Gefahr bringe.« Ihr Mund wurde hart. »Mein Vater, so nannte er sich. Ein Schädelträger. Diesmal waren es Lügen, aber beim nächsten Mal vielleicht nicht. Vielleicht stimmt es. Vielleicht ist mein Vater ein Schädelträger. Ich will es nicht wissen. Ich will gar nichts mehr von Magie und Druiden und geflügelten Jägern und Talismanen wissen.« Sie begann wieder zu weinen, und ihre Stimme bebte. »Ich habe damit abgeschlossen. Jemand anderes soll dich weiterbegleiten. Ich will nicht mehr.«
Kinson starrte ins Dunkel hinaus. »Das kannst du nicht tun, Mareth«, erklärte er schließlich. »Nein, sag jetzt nichts, höre mir einfach nur zu. Du kannst das nicht tun, weil es nicht zu dir paßt. Du mußt weitermachen. Du wirst gebraucht, um denen zu helfen, die sich nicht selbst helfen können. Ich weiß, du hast nicht nach Verantwortung gesucht. Aber sie ist da, die Bürde, die du tragen mußt, weil du eine von den wenigen bist, die die Last auf sich nehmen können. Du, Bremen, Risca und Tay Trefenwyd - die letzten Druiden. Nur ihr vier, denn es ist sonst niemand mehr da, und es wird vielleicht auch niemand mehr da sein.«
»Das ist mir gleichgültig«, murmelte sie matt. »Es ist mir egal.«
»Nein, das ist es nicht«, beharrte er. »Es ist euch allen nicht gleichgültig. Wenn es so wäre, wäre der Kampf mit dem Dämonenlord längst vorüber, und wir wären alle tot.«
Sie standen da und schauten einander an, wie Statuen in den Ruinen der Stadt.
»Du hast recht«, sagte sie schließlich so leise, daß er sie kaum verstehen konnte. »Es ist mir nicht gleichgültig.«
Sie hob den Kopf und küßte ihn auf den Mund. Sie schlang ihre Arme um seine Taille und drückte ihn fest an sich. Es war ein langer Kuß, den sie ihm gab, und es war mehr als nur Freundschaft oder Dankbarkeit. Kinson Ravenlock fühlte, wie etwas tief in seinem Innern warm wurde, etwas, von dem er bisher nicht gewußt hatte, daß es da war. Er erwiderte den Kuß und schlang seine Arme um sie.
Danach blieben sie noch einen Augenblick eng aneinandergedrückt stehen. Ihr Kopf ruhte auf seiner Brust, und er konnte spüren, wie ihr Herz klopfte, hörte ihre Atemzüge. Sie trat einen Schritt zurück und sah ihn an, ohne ein Wort zu sagen, und Verwunderung stand in ihren großen dunklen Augen.
Sie bückte sich, hob den heruntergefallenen Stab auf und ging wieder auf den Wald zu, um dem Silberfluß weiter nach Osten zu folgen. Kinson starrte ihr nach, bis sie nur noch ein Schatten war; er versuchte zu begreifen, was geschehen war. Dann gab er auf und folgte ihr.
Sie marschierten zwei Tage, ohne jemandem zu begegnen. Alle Dörfer, Höfe und Handelsplätze, an denen sie vorbeikamen, waren ausgebrannt und verlassen. Es gab Hinweise darauf, daß die Nordlandarmee vorbeigekommen war und die Zwerge geflohen waren, aber es gab keine Überlebenden. Vögel flogen über den Himmel, kleine Tiere schossen durch das Unterholz, Insekten summten in den Sträuchern, und Fische schwammen im Wasser des Silberflusses, aber es waren keine Zwerge oder Angehörige anderer Rassen zu sehen. Die beiden achteten wachsam auf weitere Schädelträger oder andere der unzähligen Kreaturen der Unterwelt, die sich dem Dämonenlord verpflichtet hatten, aber es tauchten keine auf. Sie fanden etwas zu essen und Wasser, aber niemals viel und immer in der Wildnis. Die Tage vergingen langsam und waren heiß, und nur hin und wieder kühlte die schwüle Luft durch gelegentliche, unregelmäßige Regenfälle ab. Die Nächte waren klar und tief und voller Sterne. Die Welt war friedlich und ruhig und leer. Es entstand
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