Shannara VII
getroffen hast. Zielen kannst du kaum besser als Leute einschätzen, Blenud Trock! Heute wirst du dein Messer irgendwo anders hinwerfen!«
Der Sergeant starrte sie finster an. »Du bekommst dein Geld, wenn ich meins bekomme.«
Trock. Zum ersten Mal hörte Rue Meridian seinen Namen. »Gehen wir dort drüben hin, Sergeant«, schlug sie vor.
Sie führte ihn vom Tresen tiefer in den Raum. Das provisorische Gebäude stand hinter einem Hügel, und ein erdiger Sturzbach hatte nach dem Regen ein deutliches V an der hinteren Wand hinterlassen. Genau rechts darüber hingen Tröpfchen an einem Balken, die dann und wann auf den Boden fielen.
Sie blieb gute sechs Meter davor stehen und zog mit dem Fuß eine Linie in den Staub. Es war ganz sicher nicht der sauberste Laden, den sie je besucht hatte, aber auch nicht der schmutzigste. Diese Art von Schenken kam und ging mit den Bewegungen der Armee. Diese hatte nur deshalb so lange überlebt, weil sich die Armee seit einiger Zeit nicht mehr bewegte. Zwar waren solche Schenken eigentlich nicht erlaubt, trotzdem drückte man ein Auge zu, da die Soldaten hier draußen am Ende der Welt, Meilen von jeder Stadt entfernt, einen Zufluchtsort brauchten.
Sie strich sich das feuerrote Haar zurück und sah den Sergeant an.
»Wir bleiben nebeneinander stehen. Wenn der nächste Tropfen vom Balken fällt, werfen wir auf das V. Wer am schnellsten und am nächsten drankommt, hat gewonnen.«
»Hmm!«, grunzte er und nahm seinen Platz ein. Er murmelte noch etwas vor sich hin, das sie jedoch nicht verstehen konnte. Mit dem Messer in der Hand stellte er sich auf. »Fertig«, tat er kund.
Sie holte tief und langsam Luft und ließ die Arme locker an den Seiten hängen, während sie das Messer bequem in der rechten Hand hielt, wo sich die Klinge kühl und sanft an die Haut ihres Unterarms drückte. Hinter ihnen hatten sich Männer versammelt, Soldaten auf Fronturlaub oder außer Dienst, die sich das kleine Vergnügen nicht entgehen lassen wollten. Sie nahm vage wahr, dass weitere von draußen hereinströmten, dennoch blieb es seltsam still im Raum. Eine eigentümliche Mattigkeit erfüllte sie; ihr wurde seltsam leicht im Kopf, als habe sich ihr Verstand vom Körper getrennt. Sie richtete die Augen starr auf den Balken mit den Tropfen, die in einer langen Reihe dort hingen, winzige Nadelstiche, die vor dem Schatten das Licht spiegelten.
Als endlich ein Tröpfchen fiel, schoss ihr Arm vor, und das Messer flog so schnell aus ihrer Hand, dass es bereits genau in der Spitze des Vs steckte, ehe der Sergeant seine Wurfbewegung beendet hatte. Die Klinge des Sergeants landete ungefähr sechs Zoll daneben.
Tosender Applaus erhob sich, und ein paar Jubelrufe waren zu hören. Rue Meridian zog ihr Messer aus dem Holz und ging hinüber zum Tresen, um ihren Einsatz abzuholen. Die Frau des Schmiedes hatte den Krug schon bereitgestellt. »Der geht auf deine Rechnung, Sergeant Trock«, rief sie ihm zu und lächelte Rue breit an. »Bezahl ihn, ehe du gehst.«
Der Frontsergeant schlich an die Wand und zog sein schweres Wurfmesser heraus. Kurz wog er es in der Hand, während er Rue Meridian einen giftigen Blick zuwarf. Dann schob er es in die Scheide unter seinem Gewand und schwankte zu ihr hinüber. »Ich bezahle gar nichts«, verkündete er und baute sich neben ihr auf.
»Das liegt ganz bei dir«, erwiderte sie und nippte an dem Bier.
»Wenn nicht, kommst du hier nicht wieder rein«, mahnte die Frau des Schmieds scharf. »Hör jetzt endlich mit dem Ärger auf.«
»Ich werde nicht zahlen, weil du mich betrogen hast!«, wandte er sich wütend wieder an Rue. »Du hast geworfen, ehe der Tropfen den Balken verlassen hat. Das ist ja wohl klar wie Kloßbrühe.«
Um ihn herum wurde abfälliges Murmeln laut, viele schüttelten den Kopf, doch niemand widersprach. Ermutigt beugte er sich so weit vor, bis sie die Hitze seines Atems spüren und den Gestank nur allzu deutlich riechen konnte. »Weißt du, was du für ein Problem hast, Kleine Rote? Du brauchst jemanden, der dir ein paar Manieren beibringt. Dann wärst du nicht so verbohrt…«
Der Rest von dem, was er sagen wollte, blieb ihm im Hals stecken, als er plötzlich die Messerspitze an seiner Kehle unterhalb des bärtigen Kinns spürte.
»Du solltest besser nachdenken, ehe du sprichst, Sergeant«, zischte sie. »Du hast bereits genug von dir gegeben, was mich überzeugen könnte, dir die Kehle durchzuschneiden.«
Eisiges Schweigen breitete sich im Raum aus.
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