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Shannara VIII

Titel: Shannara VIII Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Terry Brooks
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konnte, gegen die sich niemand zu wehren vermochte - nie zuvor hatte sie es so gut gemeistert und so vollkommen unter Kontrolle gebracht, nie zuvor hatte sie es sich so sehr zu einer zweiten Natur gemacht. Er lehrte sie, wie eine leichte Änderung der Tonhöhe Gesundheit in Krankheit und Leben in Tod verwandeln konnte. Ein Druide besaß diese Macht ebenfalls, erklärte er ihr. Vor allem der Druide Walker. Sie müsse lernen, ihm ebenbürtig zu sein und ihn mit ihrer Magie zu besiegen.
    Nach einer Weile dachte sie nicht mehr an ihre Eltern und ihren Bruder, den sie für tot hielt; sie waren nur mehr Gebeine, die in der Erde begraben lagen, ein Teil ihrer verlorenen Vergangenheit, ihrer Kindheit, die an einem einzigen Tag zu Ende gegangen war. Sie überließ sich dem neuen Leben und ihrem Lehrer, ihrem Mentor, ihrem Freund. Der Morgawr stellte all dies für sie dar, während sie heranwuchs, und noch viel mehr. Er formte ihr Denken und navigierte sie durchs Leben. Von ihm erhielt sie Inspirationen für ihre magischen Ziele, er schenkte ihr den Traum, eines Tages ihr erlittenes Unrecht zu rächen.
    Er nannte sie seine kleine Ilse-Hexe, und den Namen übernahm sie von ihm. Ihren früheren Namen begrub sie mit der Vergangenheit und benutzte ihn niemals wieder.

Kapitel 2
    Ihre Erinnerungen an die Vergangenheit, die mehr und mehr verblassten und zu Bruchstücken zerfielen, lösten sich in nichts auf, während sie auf einer Waldlichtung tausend Meilen fern der Heimat vor diesem Jungen stand, der behauptete, ihr Bruder zu sein.
    »Grianne, ich bin Bek«, beteuerte er. »Erinnerst du dich nicht?« Natürlich erinnerte sie sich an alles, wenngleich nicht mehr so scharf und deutlich und auch nicht mehr so schmerzerfüllt. Sie erinnerte sich, aber sie weigerte sich zu glauben, dass Erinnerungen nach so vielen Jahren mit solcher Klarheit zum Leben erwachen konnten. In all dieser Zeit hatte sie ihren Namen selten gehört, hatte ihn nicht ausgesprochen und nicht einmal mehr an ihn gedacht. Sie war die Ilse-Hexe, und dieser neue Name beschrieb, wen und was sie darstellte, nicht jener andere. Den anderen würde sie wieder tragen, wenn sie Rache an dem Druiden geübt hatte, zu einem Zeitpunkt, an dem sie genug Erkenntnis und Macht erlangt hatte, damit der Name, einmal ausgesprochen, nie wieder von irgendjemandem vergessen werden würde.
    Und jetzt stand dieser Junge vor ihr und wagte es, ihr einzureden, er dürfe ihn benutzen. Ungläubig und voller Zorn starrte sie ihn an. Konnte er wirklich ihr Bruder sein? Konnte er Bek sein, den sie so lange für tot gehalten hatte? War das möglich? Sie versuchte, in diesem Gedanken einen Sinn zu erkennen, ihn irgendwie zu verarbeiten, Worte zu finden, mit denen sie antworten konnte. Aber alles, was ihr einfiel, war wirr und unzusammenhängend und wollte sich nicht ordnen lassen. Alles erstarrte zu Eis und hinterließ eine solche Frustration über ihre mangelnde Handlungsfähigkeit in ihr, dass sie am liebsten geschrien hätte.
    »Nein!«, brüllte sie schließlich. Nur dieses einzelne Wort löste sich von ihren Lippen, wie ein Fluch, den man einem Dämon entgegenschleudert.
    »Grianne«, wiederholte er leise.
    Sie sah den dunkelbraunen Haarschopf und die verblüffend blauen Augen, die ihren eigenen so sehr glichen, die ihr so vertraut waren. Zudem glich ihr der Knabe, sowohl im Körperbau als auch vom Äußeren her. Dazu hatte er etwas anderes an sich, das sie nicht recht zu fassen bekam, dennoch war es unverkennbar vorhanden. Er hätte Bek sein können.
    Aber wie? Wie konnte das möglich sein?
    »Bek ist tot«, zischte sie ihn an und stand starr da, eine schlanke Gestalt in dunkler Robe.
    Am Boden neben ihr kniete Ryer Ord Star im Schatten und hielt sich den Bauch, ein kleines Bündel Kleider mit gesenktem Kopf, den das lange silberne Haar wie ein Vorhang umschloss. Seitdem die Ilse-Hexe urplötzlich aus der Nacht aufgetaucht war, hatte sie sich nicht gerührt, nicht den Kopf gehoben oder auch nur ein einziges Wort gesagt. Still und dunkel, wie sie da kauerte, hätte sie eine steinerne Statue sein können, die ein Bildhauer hier aufgestellt hatte, um der Rast eines Reisenden als Wächter zu dienen.
    Die Ilse-Hexe schaute kurz zu ihr hinüber und fixierte sofort wieder den Jungen. »Sag schon«, zischte sie, »warum sollte ich dir glauben?«
    »Ich wurde von einem Gestaltwandler namens Truls Rohk gerettet«, antwortete er schließlich, wobei er ihrem Blick standhielt. »Der brachte mich zum Druiden

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