SHANNICE STARR (German Edition)
aufbewahrt, die der Mexikaner Jorge ihm überlassen hatte. Doch nun war sie verschwunden.
»Montana«, war Troys erster Gedanke. Für einen Moment stieg massiver Unwillen in dem Reverend auf, rasch jedoch besann er sich wieder. Die Folgen des Einbruchs konnte er nicht abschätzen, doch eine innere Stimme flüsterte ihm zu, dass er nur deswegen noch lebte. Das Auftauchen der US-Kavallerie war kein göttlicher Segen gewesen, sondern das Ergebnis einer Menge miteinander verketteter Ereignisse.
»Aber vielleicht ist genau das das Wunder dahinter.« Morgan Troy setzte sich auf die Bettkante, verharrte eine Weile und legte sich hin. Er schloss die Augen und ließ die Bilder seiner Kindheit an sich vorüberziehen. Er akzeptierte, was ihm gezeigt wurde und ließ die Qual auf sich wirken, ohne sie abzulehnen. Und mit einem Mal war die seelische Folter, die er aus seinen Albträumen kannte, verschwunden.
Ruhig und entspannt lag der Reverend auf dem Bett. Ein schmales Lächeln umspielte seine Züge.
»Ich verzeihe dir, Dad «, sagte er voller Überzeugung.
Morgan Troy hatte seinen Frieden gefunden.
Nun konnte er daran gehen, ihn der Welt zu bringen …
15
Endstation: Tod
Kurze Zeit, nachdem Shannice ein Hotelzimmer in Cowdrey bezogen hatte, führten die Soldaten auch ihren schwarzen Hengst in die Stadt. Shannice brachte ihn in einem Stall unter und versorgte ihn. Danach nahm sie im Hotel ein ausgiebiges Bad. Sie dachte an den Reverend und Sheriff Tex Orchid. Beide würden für immer in ihrer Erinnerung verbleiben. Das, was sie erlebt hatten, schweißte sie auf ewig zusammen. Zumindest in Gedanken.
Shannice erhob sich aus dem Zuber und langte nach einem Handtuch. Als sie sich abgetrocknet hatte, griff sie nach ihrer immer noch klammen Kleidung. Der muffige Geruch stieg ihr sofort in die Nase.
»Gleich morgen«, sprach sie zu sich selbst, »geht’s ab in die Town neue Klamotten kaufen.«
Nackt, wie sie war, legte die Cheyenne sich aufs Bett und hüllte sich in die Decke. Rasch fielen ihr die Augen zu. Sie hatte eine Menge Schlaf nachzuholen, und sie erwachte erst, als die Sonne bereits den Zenit erreicht hatte. Am liebsten wäre sie so, wie sie war, in den nächsten Store gegangen, denn der Gedanke daran, in ihre vergammelten Klamotten zu schlüpfen, war ihr zuwider. Andererseits jedoch wollte sie auch nicht für unnötige Irritationen in dem Städtchen sorgen und streifte widerwillig Jeans und Bluse über.
Nach einem Streifzug durch die Town blieb Shannice vor der Auslage eines Schaufensters stehen. Darüber prangte ein Holzschild mit der Aufschrift ›Old Graham’s‹. Die Cheyenne öffnete die schmale Tür und wurde vom hellen Klingeln eines Glöckchens empfangen. Im Verkaufsraum roch es nach Textilien und Holzpolitur. Hinter einem niedrigen Tresen stand eine ältere Dame, die über die Ränder ihrer Nickelbrille die Besucherin musterte und dabei ein zuvorkommendes, unverbindliches Lächeln aufsetzte.
»Kann ich Ihnen helfen?«, fragte die Dame, legte ihr Kassenbuch zur Seite und schickte sich an, um den Tresen herumzugehen.
»Das hoffe ich«, erwiderte Shannice. Sie hatte lediglich den Pullover über ihre Bluse gezogen und auf den schweren Wintermantel verzichtet. »Ich möchte mich komplett neu einkleiden.«
»Da bin ich Ihnen gerne behilflich.« Die Dame stellte sich neben Shannice und maß sie mit den Augen von oben bis unten ab. »Sie sind groß und schlank. Aber ich finde schon das Richtige für Sie.«
»Kommen sonst nur Dicke vorbei?«, fragte Shannice unschuldig und biss sich gleich darauf auf die Unterlippe als sie sah, dass auch die Storeverkäuferin einige Pfunde weniger auf den Hüften vertragen konnte. Dennoch wirkte sie attraktiv und hatte ihre Kleidung derart gewählt, dass ihre Figur angenehm kaschiert wurde.
»Ich bin Mrs Graham«, stellte die Ladeninhaberin sich vor.
»Shannice Starr«, sagte die Halbindianerin.
»Ich will nicht unbedingt sagen, dass das Gros meiner Kundschaft übergewichtig ist«, fuhr Mrs Graham fort, »jedoch tun einige Damen in der Stadt gut daran, ihr Korsett ein wenig enger zu schnüren.«
Shannice lachte. »Zeigen Sie mir etwas, das auch ohne Schnürung passt.«
»Woran hatten sie gedacht? Für eine Festveranstaltung möchten Sie sich doch sicher nicht ausstaffieren …«
»Ganz und gar nicht. Ich dachte eher an etwas Figurbetontes und Robustes.«
»Etwas in der Art, das Sie tragen?« Mrs Graham schaute Shannice auffordernd an,
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