SHANNICE STARR (German Edition)
rümpfte kurz die Nase, als ihr der Muffgeruch in die Nase und kroch, und unterdrückte ein Niesen.
»Etwas in der Art. Ja.«
Die Dame bewegte sich auf ein breites Regal zu, in dem gefaltete Hosen, Hemden und Pullover lagen. Prüfend ließ sie ihren Blick kreisen und zog schließlich eine Hose aus einem Stapel.
»Probieren Sie die«, forderte Mrs Graham Shannice auf. »Gegenüber finden Sie eine Umkleidegelegenheit.«
»Ach, nur keine Umstände«, winkte das Halbblut ab und streifte ihre Jeans über die Hüften. Mrs Graham zeigte sich im ersten Moment pikiert, als ihre Kundin plötzlich halb nackt vor ihr stand, doch dann zuckte sie mit den Schultern, gab ein lapidares »Was soll’s« von sich und war Shannice behilflich, auch Hemd und Pullover auszuziehen. Zwischenzeitlich verscheuchte sie mit einer energischen Handbewegung einen Gaffer, dem vor dem Storefenster schier die Augen aus den Höhlen quollen.
»Sitzt wie angegossen«, freute sich Shannice und drehte sich einmal um sich selbst. Sie nahm die gereichte Bluse, warf sie über die Schultern und knöpfte sie zu.
»Na, bitte!«, konstatierte Mrs Graham. »Auf mein Augenmaß kann ich mich immer noch verlassen.« Sie hüstelte verlegen und wisperte Shannice ins Ohr: »Ich habe da noch etwas ganz Besonderes. Ich verkaufe zwar nicht viel davon, aber vielleicht möchten Sie es sich dennoch einmal ansehen.« Die Ladeninhaberin lotste Shannice zu einem Schränkchen und zog eine der vielen kleinen Schubladen auf. Stolz drückte sie ihr ein Textilstück in die Hand, das Shannice argwöhnisch beäugte.
»Was ist das?«, fragte die Cheyenne grübelnd.
»Ein Schlüpfer«, antwortete Mrs Graham. »Unterwäsche. Sie tragen sie unter Ihrer normalen Kleidung.«
»Wofür soll das gut sein?« Shannice drehte und wendete das unförmige Höschen zwischen den Fingern.
»Es ist …«, druckste die Dame herum, »nun ja, wie soll ich sagen? Sie schonen Ihre Straßenkleidung damit. In gewisser Weise.«
»Sie sagten aber, ich trage dieses … Ding unter meiner Hose. Wie kann es sie da schonen?«
Mrs Graham schürzte die Lippen, sah zur Seite und dann wieder auf Shannice. Kurz entschlossen beugte sie sich vor und flüsterte einige Worte in Shannices Ohr.
»Oh!«, meinte Shannice. »So ist das. Aber ich denke, das ist nichts für mich. Glauben Sie, die Leute wollen wirklich Wäsche unter ihrer Wäsche tragen? Das scheint mir ziemlich hinderlich.«
»In gehobenen Kreisen ist es Pflicht«, belehrte sie Mrs Graham. »Aber ich möchte Ihnen natürlich nichts aufdrängen …«
»Tragen Sie Unterwäsche?«, wollte Shannice wissen.
»Ob ich …?« Mrs Graham tat verlegen. »Ab und an. Man gewöhnt sich daran. Und Schlüpfer haben ihre Vorteile.«
»Sicher nicht in jeder Situation«, schmunzelte Shannice. Nun war sie es, die sich zum Ohr der Verkäuferin beugte und ihr zuflüsterte. Gleich darauf errötete Mrs Graham.
»Das ist sicherlich … ein guter Grund«, brachte sie stockend hervor. »Sie sind jung und setzen womöglich andere Prioritäten.«
»Ich lasse die Sachen gleich an«, strahlte Shannice. »Packen Sie doch bitte mein altes Zeug ein.« Es dauerte nur ein paar Minuten, bis Mrs Graham ein Bündel geschnürt hatte. Shannice hingegen hatte noch ein weiteres Teil gefunden, das sie unbedingt haben wollte.
»Den Staubmantel da nehme ich ebenfalls mit«, sagte sie bestimmt.
»Der wird Sie aber kaum gegen die Kälte schützen«, meinte Mrs Graham. »Außerdem ist er nicht neu. Ich habe ihn im Tausch bekommen.«
»Ich nehme ihn«, beharrte Shannice.
»Das macht vier Dollar fünfzig«, sagte die Ladenbesitzerin freundlich.
»Herrje!«, erwiderte Shannice. »Ich habe das Geld doch glatt in meiner Hosentasche vergessen.« Schon machte sie sich daran, das Päckchen zu öffnen, wurde jedoch von der Storebesitzerin zurückgehalten.
»Lassen Sie nur«, meinte sie gutmütig. »Ich werde nicht ärmer, wenn ich Ihnen die Sachen schenke. Außerdem hat es mir Freude bereitet, Sie kennenzulernen. Ich muss ehrlich zugeben, dass Sie schon reichlich aus dem Rahmen fallen.«
Shannice wusste nicht, ob sie dies als Kompliment werten sollte, bedankte sich überschwänglich bei Mrs Graham und stiefelte zur Tür hinaus.
Die Gruppe von Männern, die sich mittlerweile vor dem Store eingefunden hatte, schaute ihr noch lange hinterher …
In der weiträumigen Küche roch es nach Steaks, Zwiebeln und Bratkartoffeln. Die McPhersons saßen einträchtig am Tisch, bis Garth Gormick
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