SHANNICE STARR (German Edition)
dich nicht verlieren«, hauchte Shannice. Ihre Augen waren gerötet.
»Mein Weg weicht von dem deinen ab, Shannice. Aber das heißt nicht, dass ich nicht immer bei dir bin …« Es waren die letzten Worte, die der Choctaw-Krieger sprach. Sein Kopf sackte zur Seite, und sein Körper wurde schlaff. Wie lange Shannice an ihn gepresst dasaß, konnte sie im Nachhinein nicht mehr sagen. Doch als sie aufstand, zeigten ihre Züge nur abgrundtiefen Zorn und Verachtung. Jede Faser ihres Leibes dürstete nach Rache.
»Warum schauen Sie mich an?«, wich Garth Gormick erschrocken zurück. »Ich habe damit nichts zu tun! Ich bin ein Gefangener, so wie Sie auch.«
»Du bist es nicht, die sie ansieht«, ergriff Jill Gormick das Wort. »Ich bin es.«
»Es ist deine Familie«, meinte Shannice tonlos. »Ich sollte gleich mit dir anfangen und dich zur Hölle schicken.« Shannice blickte in traurige Augen und unterdrückte ihren Zorn. Sie konnte Jill nicht für ihr Unglück verantwortlich machen. Sie durfte ihre Wut nicht gegen jene Menschen richten, die in greifbarer Nähe waren, sondern auf jene, die das Unheil heraufbeschworen hatten. Auf jene, die kein Gewissen kannten und keine Skrupel besaßen.
»Mein Leben ist unwichtig und bedeutet mir nichts«, sagte die Cheyenne voller Überzeugung. »Aber bevor ich es aushauche, reiße ich deine Mutter und deine Brüder mit ins Verderben!«
»War ein verdammt langer Tag«, äußerte sich Henry, als sie den Keller verlassen hatten. »Ich kann mich kaum noch auf den Beinen halten.«
Lindsay hielt krampfhaft ihr Gewehr fest. »Werde kaum ein Auge zutun können. Was machen wir mit den Gefangenen?« Ihre Bemerkung war kalt und ließ nicht vermuten, dass einer der Gefangenen ihre eigene Schwester war.
»Für Jill kann ich nur hoffen, dass sie nicht auch noch den letzten Funken ihres Verstandes verloren hat«, sagte Ruth McPherson hart. »Ansonsten schaufeln wir ihr ein Grab gleich neben den anderen.«
»Ist das wirklich nötig?« Der junge Dean zog eine zweiflerische Miene. »Jill ist meine Schwester.«
Die alte McPherson musterte ihn aus eiskalten Augen. »Sie hat ihre Rechte verwirkt. Jeder, der sich gegen uns stellt, hat das. Ich würde mir auch einen Arm abschneiden, bevor er mir am Körper verfault.«
»Verschieben wir unsere Diskussion auf morgen«, mischte sich ihr Mann Greg ein. »Ich will jetzt nur ins Bett.« Er hatte die Worte noch nicht ganz ausgesprochen, als Henrys Kopf zum Fenster ruckte.
»Habt ihr das gehört?«, fragte er in die Runde.
»Unsere Gäste sind noch ein wenig unruhig«, deutete Ruth die Geräusche, die Henry aufgeschreckt hatten. »Aber keine Sorge: Die Tür hält selbst ein wütendes Bison auf.«
»Das kam nicht aus dem Keller!« Alarmiert rannte Henry zum Fenster. Er löschte das Licht der Petroleumlampe, um im Dunkeln vor dem Haus etwas erkennen zu können.
»Was siehst du?«, fragte Lindsay. Ihre Handflächen waren schweißfeucht. Sie wischte sich die Linke an ihrem Rock ab, um nicht den Halt am Gewehrlauf zu verlieren.
»Nichts«, erwiderte Henry. »Sieht alles ruhig aus. Trotzdem besser, wenn ich mich draußen mal umsehe.«
»Mein kleiner, furchtsamer Henry«, spöttelte Ruth McPherson. »Seit deine Hand verkrüppelt ist, hast du wohl auch einen Teil deiner Männlichkeit eingebüßt.« Grinsend konterte sie den scharfen Blick, den ihr Sohn ihr zuwarf.
»Ich gehe raus«, entgegnete er fest. »Irgendetwas sagt mir, dass die Nacht noch nicht zu Ende ist …« Er öffnete die Tür und zwängte sich durch den Spalt. Suchend kreiste sein Blick durch die Nacht. Ruth McPherson gähnte herzhaft und rief ihm nach: »Bis sich deine Augen an die Dunkelheit gewöhnt haben, ist schon jeder dahergelaufene Strolch irgendwo untergekrochen.«
»Besonders«, zischte Henry zurück, »wenn du weiter durch die Gegend schreist.«
»Rede nicht so mit deiner Mutter!«, wurde Greg McPherson laut. Er äußerte sich nur selten, aber wenn er es tat, ging ihm etwas ordentlich gegen den Strich. Oder er fühlte sich schlichtweg verpflichtet, einen Kommentar abzugeben, um deutlich zu machen, dass auch er ein Mitspracherecht hatte.
Henry reagierte auf die Zurechtweisung lediglich mit einem unwirschen Brummen, schaute noch einige Sekunden ins Dunkel und kam wieder ins Haus.
»Nichts«, sagte er.
»Kann ein Tier gewesen sein«, mutmaßte Lindsay.
»Ich bin mir sicher, es waren Pferdehufe«, entgegnete Henry.
Lindsay hatte auch dafür eine Erklärung. »In der Nacht
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