SHANNICE STARR (German Edition)
hört sich vieles falsch an.«
»Verdammt noch mal, dann tut es das eben!«, schrie er ungehalten. »Und fuchtel nicht so mit der Flinte vor meiner Nase rum!« Immer noch hielt Lindsay McPherson ihr Schrotgewehr fast zwanghaft fest. Betreten senkte sie den Lauf und stellte die Waffe schließlich neben den Küchenschrank.
»Legen wir uns hin«, wies Ruth ihre Familie an. »Morgen wird ein anstrengender Tag …«
Shannice Starr hatte nicht mehr die Kraft, der Müdigkeit zu widerstehen. Dicht an den toten Onatoga gedrängt nickte sie ein. Garth und Jill Gormick hatten sich ebenfalls an die Wand gelehnt. Die Aufregung der letzten Stunden ließ sie noch eine Weile wachbleiben, doch schließlich forderte die Erschöpfung ihren Tribut. Es kam ihnen wie ein sekundenlanger Schlaf vor, als kratzende und klopfende Laute sie aus den Träumen rissen. Augenzwinkernd und mit schweren Lidern versuchten sie, den Ursprung der Geräusche auszumachen, und fanden ihn schließlich an dem vergitterten Fenster ihres winzigen Verlieses. Schwach zeichneten sich im Dunkel die Züge eines Gesichts ab sowie eine Hand, die mit dem Griffstück eines Revolvers zaghaft gegen die Gitterstäbe schlug.
»Wer ist da?«, raunte Garth verhalten, aber laut genug, um Shannice zu wecken. Orientierungslos sah sie sich um und blickte hoch, als eine Stimme über ihr am Fenster erklang.
»Da hatte ich ja wohl den richtigen Riecher«, sagte sie. »Erinnern Sie sich nicht an mich? Sie wollten doch bei der alten Miss Winthorp ein Zimmer mieten.«
»Smith!«, stieß Garth Gormick ungläubig aus. »Was auch immer sie zu uns getrieben hat, Sie müssen uns helfen! Holen Sie uns aus diesem Loch heraus!«
»Immer langsam mit den jungen Pferden. Noch hat man mich nicht entdeckt. Aber falls ich irgendwelchen Lärm verursache, kann sich das schnell ändern.«
»Weshalb sind Sie dann hier? Diese verrückten McPhersons wollen uns umbringen!«
Bevor Trevor Smith antworten konnte, mischte sich Shannice in das Gespräch. »Eine Unterredung unter alten Bekannten«, meinte sie gelassen, war innerlich jedoch noch aufgewühlt. Die Berührung des Toten verstärkte diesen Zustand mit jeder Sekunde. »Wenn Sie uns nicht rausholen, Mister, scheren Sie sich gleich wieder zum Teufel. Spätestens morgen sehen wir uns dann bei ihm wieder.«
»Wer ist da noch bei Ihnen?«, fragte Smith, der Shannice von oberhalb des Fensters nicht erkennen konnte. »Zeigen Sie sich!«
Die Cheyenne tat ihm den Gefallen und rutschte ein Stück vor.
»Zufrieden?«, erkundigte sie sich spöttisch.
»Eine Indianerin«, stellte Smith sachlich fest.
»Fein beobachtet«, flachste Shannice und wunderte sich selbst über ihre Beherrschung. Die Gedanken an die Schrecknisse des Tages setzten ihr enorm zu. »Können Sie irgendetwas für uns tun, Mister?«
»Smith«, antwortete der Gunman. »Mein Name ist Smith. Und ich glaube, dass ich im Moment nicht allzu viel ausrichten kann. Dazu müsste ich ins Haus eindringen, und das würde nicht unbemerkt bleiben.«
»Haben Sie Angst vor ein paar ungeübten Schießern und einer alten, keifenden Frau?«, versuchte Garth den Revolvermann zu provozieren.
»Angst hat man nur, wenn man nicht weiß, worauf man sich einlässt.« Smiths Worte klangen kühl. »Ich muss mich mit den Gegebenheiten vertraut machen. Mitten in der Nacht an einem fremden Ort laufe ich womöglich in einen Hinterhalt. Damit wäre Ihnen sicher nicht gedient. Kenne ich meinen Gegner, kann ich handeln.«
»Dann ist es vielleicht zu spät!«, regte sich Gormick auf und sprang auf die Füße.
»Ich habe es mein Leben lang so gehalten und weiche von dieser Regel auch jetzt nicht ab. Wie Sie an meinem Alter sehen, hat sie sich ausgezahlt.«
»Wir werden sterben.« Garth sank mutlos an der Wand herab. Jill legte ihm ihren Arm um die Schultern und verhielt sich weiterhin ruhig.
»Ich werde zurückkehren«, bekräftigte Trevor Smith. »Verlassen Sie sich darauf. Und ich werde nicht allein kommen.«
»Lassen Sie sich nicht zu viel Zeit, Smith«, warf Shannice ein. »Sonst werden Sie nur noch die Gelegenheit haben, unsere verscharrten Knochen auszubuddeln …«
Der Gunman entfernte sich vom Kellerfenster und warf einen verstohlenen Blick zum Haus. Es war dunkel und ruhig. Halbwegs versichert, von den Bewohnern nicht überrascht zu werden, schlenderte Smith zur Scheune, hinter der er sein Pferd versteckt hatte. Das Knarren des Scheunentors kam ihm in der Stille der Nacht überlaut vor,
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