Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
Vom Netzwerk:
tote Geliebte die schlimmsten Rivalen sind. »Dennoch, Karla, ich will ja nicht spitzfindig sein, aber du musst zugeben, dass das alles ziemlich gruslig ist – wir haben eine gefährliche Aktion vor uns, und ich trage einen Begräbnisanzug.«
    »Das ist doch reiner Aberglaube.«
    »Nein.«
    »Doch.«
    »Ich bin nicht abergläubisch.«
    »Doch.«
    »Nein.«
    »Aber natürlich bist du abergläubisch!«, sagte sie und bedachte mich zum ersten Mal, seit wir im Taxi saßen, mit einem echten Lächeln. »Es gibt keinen Menschen auf der Welt, der nicht abergläubisch wäre.«
    »Ich will nicht darüber streiten. Das könnte Unglück bringen.«
    »Keine Sorge«, sagte sie lachend. »Es wird schon hinhauen. Hier, deine Visitenkarten. Madame Zhou sammelt die Teile. Sie fragt dich bestimmt nach einer. Und sie wird deine Karte behalten, für den Fall, dass du ihr mal nützlich sein könntest. Aber mach dir keine Sorgen, wenn es je dazu kommen sollte, hast du die Botschaft längst verlassen.«
    Die Visitenkarten waren aus perlweißem Leinenpapier und in einer elegant geprägten schwarzen Kursivschrift bedruckt. Ihnen war zu entnehmen, dass Gilbert Parker Konsulats-Untersekretär in der Botschaft der Vereinigten Staaten von Amerika war.
    »Gilbert?«, knurrte ich.
    »Ja und?«
    »Na toll – wenn dieses Taxi einen Unfall baut, klauben sie meine Leiche in diesen Kleidern aus den Trümmern und identifizieren mich als Gilbert. Ich kann nicht behaupten, dass mir nun wohler ist, Karla.«
    »Tja, du wirst dich wohl vorerst mit Gilbert abfinden müssen. Es gibt nämlich tatsächlich einen Gilbert Parker in der Botschaft. Seine Dienstzeit in Bombay endet heute. Deshalb haben wir ihn ausgewählt – er fliegt heute Abend in die Staaten zurück. Es ist also alles wasserdicht. Andererseits glaube ich aber auch nicht, dass sie größere Nachforschungen anstellen wird. Einen Anruf vielleicht, aber wahrscheinlich nicht mal das. Falls sie sich mit dir in Verbindung setzen will, wird sie das vermutlich über mich tun. Sie hat letztes Jahr ziemlich Ärger gehabt mit der britischen Botschaft. Das hat sie einiges gekostet. Und noch dazu ist vor ein paar Monaten ein deutscher Diplomat im Palace ziemlich in die Klemme geraten. Zhou musste schwer zu Kreuze kriechen, um das wieder geradezubiegen. Die Botschaften sind die Einzigen, die ihr wirklich schaden können, deshalb wird sie sich zurückhalten. Sei höflich, aber bestimmt, wenn du mit ihr redest. Und sprich ein bisschen Hindi. Das wird sie erwarten. Außerdem lenkt es davon ab, dass dein Akzent vielleicht nicht ganz lupenrein ist. Das ist übrigens auch einer der Gründe, warum ich dich für diese Aktion ausgesucht habe: Du sprichst echt gut Hindi für jemanden, der erst seit einem Jahr hier ist.«
    »Seit vierzehn Monaten«, korrigierte ich sie leicht gekränkt. »Erst zwei Monate in Bombay, dann ein halbes Jahr in Prabakers Dorf, und jetzt noch mal fast ein halbes Jahr im Slum. Macht vierzehn Monate.«
    »Na gut … dann eben vierzehn Monate.«
    »Ich dachte, niemand bekäme Madame Zhou jemals zu Gesicht«, sagte ich, in der Hoffnung, den verwirrten, unbehaglichen Ausdruck von ihrem Gesicht zu vertreiben. »Du sagtest doch, sie bliebe immer im Verborgenen und rede mit niemandem.«
    »Das stimmt auch, aber es ist etwas komplizierter«, antwortete Karla leise. Einen Moment lang versank sie in Erinnerungen und ihr Blick verschleierte sich, doch dann sammelte sie sich wieder, mit sichtlicher Anstrengung. »Sie wohnt im obersten Stockwerk des Palace und hat dort alles, was sie braucht. Sie verlässt das Haus nie. Sie hat zwei Diener, die ihr Essen und Kleider und alles hochbringen. Und sie kann sich durch das Gebäude bewegen, ohne gesehen zu werden, denn es gibt eine Menge verborgener Gänge und Treppen. Außerdem kann sie durch Einwegspiegel oder metallene Lüftungsschlitze in die meisten Zimmer hineinschauen. Das macht sie gern. Manchmal redet sie auch durch einen Sichtschutz mit Leuten – man selbst bekommt sie nie zu Gesicht, aber sie, sie sieht einen immer.«
    »Und woher weiß man dann, wie sie aussieht?«
    »Über ihren Fotografen.«
    »Ihren was?«
    »Sie lässt sich fotografieren. Etwa jeden Monat. Und die neuen Bilder verteilt sie an ihre Lieblingskunden.«
    »Sehr seltsam«, murmelte ich. Madame Zhou interessierte mich nicht so brennend, aber ich wollte, dass Karla weitersprach. Ich sah zu, wie ihre rosaroten Lippen die Worte formten – Lippen, die ich nur wenige Tage zuvor geküsst

Weitere Kostenlose Bücher