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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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Sie ist gefährlich«, sagte Karla. »Verschlagen und gefährlich.«
    »Aha.«
    »Ganz im Ernst. Man darf sie nicht unterschätzen. Als sie vor sechs Jahren von Delhi nach Bombay kam, gab es in Delhi einen Prozess, bei dem sie des Mordes angeklagt war. In ihrem Bordell in Delhi waren zwei einflussreiche Männer tot aufgefunden worden, beide mit durchgeschnittenen Kehlen. Einer davon war ein Polizeiinspektor. Man musste den Prozess einstellen, als einer der Zeugen der Anklage spurlos verschwand und man kurz darauf einen anderen bei sich zu Hause am Türrahmen baumelnd fand. Damals hat sie Delhi verlassen und ihr Geschäft nach Bombay verlagert, und nach einem halben Jahr gab es wieder einen Mord, nur eine Straße vom Palace entfernt, den viele mit Madame Zhou in Verbindung brachten. Aber man kriegt sie nie zu fassen, weil sie quasi gegen jeden etwas in der Hand hat, auch gegen die Einflussreichsten und Mächtigsten. Sie kann sich so ziemlich alles erlauben, weil sie weiß, dass sie ohnehin damit davonkommt. Wenn du noch aus der Sache aussteigen willst, wäre jetzt der richtige Moment dafür.«
    Wir saßen in einem der allgegenwärtigen, »Hummel« genannten schwarzgelben Fiat-Taxis, und fuhren Richtung Süden. Die Straßen waren voll. Hunderte von beladenen hölzernen Handkarren, die länger, höher und breiter als ein Auto waren und von je sechs barfüßigen Austrägern geschoben wurden, zockelten zwischen Bussen und Lastern einher. In den Hauptverkaufsstraßen des Stahlbasars reihten sich Unmengen kleiner und mittelgroßer Läden aneinander. Metallene Haushaltswaren aller Art, von Petroleumkochern bis zu Edelstahlwaschbecken, wurden hier feilgeboten, dazu die gesamte Palette an Produkten aus Blech oder Gusseisen, die Bauunternehmer, Ladenausstatter und Dekorateure für ihre Unternehmen brauchten. Die Läden selbst waren so kunstvoll und originell mit schimmernden Metallwaren dekoriert, dass sie nicht selten von Touristen fotografiert wurden. Doch abseits von der lebhaften glitzernden Geschäftigkeit der Hauptstraßen befanden sich die versteckten Gassen, wo Arbeiter nicht für Dollars, sondern für Centbeträge an schwarzen, rußigen Schmelzöfen schufteten, um die glitzernden verlockenden Gegenstände herzustellen.
    Die Fenster des Taxis waren zwar geöffnet, doch inmitten der sich langsam vorwärtswälzenden Verkehrslawine war es unerträglich heiß. Wir hatten unterwegs bei Karla angehalten, wo ich T-Shirt, Jeans und Stiefel gegen Straßenschuhe, eine konservativ geschnittene schwarze Hose und ein gestärktes weißes Hemd mit Schlips eingetauscht hatte.
    »Wenn ich im Moment aus irgendwas aussteigen will, dann aus diesen Schuhen und diesen Klamotten«, knurrte ich.
    »Wieso denn das?«, fragte sie mit boshaftem Glitzern in den Augen.
    »Sie kratzen und sind scheußlich.«
    »Du wirst dich schon dran gewöhnen.«
    »Hoffentlich haben wir keinen Unfall – grässliche Vorstellung, in diesem Zeug zu sterben.«
    »Dabei stehen sie dir richtig gut.«
    »Na toll, dann ist der Tag ja gerettet.«
    »Nun komm schon«, schalt sie und grinste. Ihr Akzent, dieser Akzent, in den ich mich so sehr verliebt hatte und den ich interessanter fand als jeden anderen auf der Welt, ließ jedes ihrer Worte klangvoll und harmonisch wirken. Die Melodie dieses Akzents hörte sich italienisch an, folgte deutschen Sprachregeln, war im Humor und der Grundhaltung amerikanisch und hatte eine indische Tönung. »Sich was darauf einzubilden, dass man abgerissen durch die Gegend läuft, ist auch eine Art Eitelkeit.«
    »Ich laufe nicht abgerissen durch die Gegend. Ich will mir nur keine Gedanken über Klamotten machen.«
    »Nein, stimmt nicht. Du machst dir ziemlich viele Gedanken über Klamotten.«
    »Was soll das heißen? Ich besitze ein Paar Stiefel, eine Jeans, ein Hemd, zwei T-Shirts und ein Paar Lungis. Das ist meine gesamte Garderobe. Was ich nicht anhabe, hängt an einem Nagel in meiner Hütte.«
    »Und genau das meine ich. Dir sind Klamotten so wichtig, dass du furchtbar leidest, wenn du was anderes tragen musst als die paar Sachen, in denen du dich wohl fühlst.«
    Ich fingerte an dem kratzenden Hemdkragen herum.
    »Tja, Karla, in diesen Kleidern fühle ich mich jedenfalls nicht wohl. Wieso hast du eigentlich so viele Männerkleider in deiner Wohnung? Du hast mehr Männersachen als ich.«
    »Die letzten beiden Typen, die bei mir gewohnt haben, sind etwas überstürzt gegangen.«
    »So überstürzt, dass sie ihre Klamotten dagelassen

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