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Shantaram

Shantaram

Titel: Shantaram Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gregory David Roberts
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mir im Taxi saß, und sie war geheimnisvoll genug. Ich wollte mehr über Karla erfahren. Ich wollte wissen, wie es dazu gekommen war, dass sie in Bombay lebte, was sie mit Madame Zhou und deren Absonderlichkeiten verband und warum sie nie über sich selbst sprach. Doch so sehr ich alles, einfach alles über sie wissen wollte, musste ich mich damit abfinden, dass ich nichts erzwingen konnte. Es stand mir nicht zu, mehr von ihr zu verlangen, weil ich selbst Geheimnisse hatte. Ich hatte Karla angelogen, hatte behauptet, ich käme aus Neuseeland und hätte keine Familie mehr. Sie kannte nicht einmal meinen wahren Namen. Und weil ich in sie verliebt war, fühlte ich mich gefangen in diesen Unaufrichtigkeiten. Sie hatte mich geküsst, und dieser Kuss war echt gewesen, echt und ehrlich. Doch ich wusste nicht, ob die Wahrheit, die in diesem Kuss lag, für uns Anfang oder Ende bedeutete. Meine größte Hoffnung war nun, dass die Lisa-Aktion uns vereinigen würde. Dass sie stark genug sein würde, um die Mauern unserer Geheimnisse und Lügen zu durchbrechen.
    Ich unterschätzte die Aufgabe nicht, die Karla mir anvertraut hatte. Mir war durchaus bewusst, dass die Sache schieflaufen konnte und ich womöglich Gewalt anwenden musste, um Lisa aus dem Palace zu befreien. Doch dazu war ich bereit. Im Hosenbund unter meinem Hemd steckte ein Messer in einer Lederscheide. Die Klinge war lang, breit und scharf. Mit einem guten Messer war ich gut und gerne zwei Männern gewachsen. Ich hatte schon im Gefängnis Messerkämpfe ausgefochten. Ein Messer, diese archaische Waffe, in der Hand eines Mannes, der es zu benutzen weiß und sich nicht davor fürchtet, es in den Körper eines anderen Menschen zu rammen, ist nach der Pistole immer noch die wirksamste Nahkampfwaffe. Während ich still und stumm im Taxi saß, bereitete ich mich innerlich auf den Kampf vor. In meinem Kopf lief ein kleiner Film ab, eine Vorschau auf das zu erwartende Blutvergießen. Die linke Hand musste ich frei haben, damit ich Lisa und Karla aus dem Palace führen oder vermutlich eher zerren konnte. Mit der Rechten würde ich uns einen Weg bahnen müssen, wenn uns jemand Widerstand leistete. Ich hatte keine Angst. Ich wusste, dass ich ohne nachzudenken zustoßen, zustechen, aufschlitzen konnte, falls es zu einem Kampf kommen würde.
    Das Taxi hatte sich durch das Verkehrsgewühl laviert und beschleunigte in der Nähe einer steilen Überführung, wo die Straßen breiter wurden. Ein wohltuend frischer Wind brachte Abkühlung, und unsere schweißnassen Haare waren im Nu getrocknet. Karla war unruhig. Sie warf ihr Beedie aus dem Fenster, kramte in ihrer Lackhandtasche und brachte eine Zigarettenschachtel zum Vorschein, die dicke Joints mit spitz zulaufenden, zusammengedrehten Enden enthielt. Sie zündete sich einen an.
    »Ich brauche einen Kick«, sagte sie und inhalierte tief. Der würzige Duft von Haschisch verbreitete sich im Taxi. Sie zog ein paarmal, dann bot sie den Joint mir an.
    »Meinst du, das hilft?«
    »Vermutlich nicht.«
    Es war starkes Haschisch aus Kaschmir. Ich spürte, wie sich meine Bauch-, Nacken- und Armmuskulatur entspannte, als die Wirkung einsetzte. Der Fahrer schnüffelte geräuschvoll und verstellte seinen Rückspiegel, um uns besser sehen zu können. Ich gab Karla den Joint zurück. Sie zog noch ein paarmal daran, dann reichte sie ihn dem Fahrer.
    »Charras pitta?«, fragte sie. Rauchst du Charras?
    »Ha, munta!«, antwortete er lachend und nahm den Joint erfreut an. Sage ja! Er rauchte ihn halb auf und reichte ihn wieder nach hinten. »Achaa charras! Erste Nummer ist das. Hey, hab ich von die amerikanisch Musik, Disko, ist es total erste Nummer USA-amerikanische Musik Disko. Ihr wollt hören, ja.«
    Er schob eine Kassette in den Rekorder und drehte den Lautstärkeregler bis zum Anschlag. Sekunden später wummerte We Are Family von Sister Sledge mit ohrenbetäubendem Dröhnen aus den Lautsprechern hinter unseren Köpfen. Karla stieß einen begeisterten Schrei aus. Der Fahrer drehte die Lautstärke auf Null und fragte, ob es uns gefiel. Karla antwortete mit einem erneuten Jubeln und reichte ihm den Joint, worauf der Fahrer die Musik wieder aufdrehte. Wir rauchten und sangen und fuhren auf der Straße tausend Jahre Menschheitsgeschichte ab, vom barfüßigen Bauernjungen auf dem Ochsenkarren bis zum Geschäftsmann, der im Hightechladen Computer kauft.
    In Sichtweite des Palace hielt der Fahrer vor einem offenen Chai-Shop. Er wies mit dem Daumen darauf

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