Shantaram
blutverschmiertes Hemd und die bereits schwellenden Wunden und blauen Flecken, die sein Gesicht und auch sonst jeden Zentimeter seiner Haut bedeckten. Als ich ihm ins Gesicht blickte, stellte ich fest, dass ein übermütiger Ausdruck in seinen Augen lag. Die Gewalttätigkeit des Mobs hatte ihn nicht allzu sehr aus der Fassung gebracht. Mir ging es auch so. Wir waren beide Männer, die Schlimmeres gesehen und erlebt hatten, und spürten das beim anderen. Tatsächlich sprach auch keiner von uns beiden nach dem Tag unseres Kennenlernens jemals wieder über diesen Zwischenfall. Ich blickte in seine funkelnden Augen und erwiderte sein breites Lächeln.
»Wir hatten verdammtes Glück!«
»Aber wirklich! Verdammtes Glück!«, stimmte er mir zu, lachte schallend und streifte sich dabei die Rolex vom Handgelenk. Er hielt sie sich ans Ohr, um nachzuprüfen, ob sie noch tickte. Dann schloss er sie zufrieden wieder um sein Handgelenk und widmete mir seine volle Aufmerksamkeit. »Aber trotzdem stehe ich in Ihrer Schuld, und die Schuld ist immer wichtig, auch wenn wir Glück gehabt haben. Und eine Schuld wie diese ist die wichtigste Verpflichtung, die ein Mann haben kann. Sie müssen mir erlauben, dass ich mich erkenntlich zeige.«
»Das wird nicht billig«, sagte ich. Der Fahrer wechselte im Rückspiegel einen Blick mit Hassan.
»Aber … diese Schuld kann nicht mit Geld vergolten werden«, antwortete Hassan.
»Ich spreche von dem Mann mit dem Handkarren – von dem, den Sie angefahren haben. Und von dem Taxi, das Sie beschädigt haben. Wenn Sie mir etwas Geld geben, werde ich dafür sorgen, dass es die Männer auch wirklich erreicht. Es wird zur Beruhigung der Lage am Regal Circle beitragen. Das ist nämlich mein Revier – ich muss dort arbeiten, jeden Tag, und die Leute werden noch eine Weile stinksauer sein. Wenn Sie sich darum kümmern, sind wir quitt.«
Hassan lachte und klatschte mir aufs Knie. Es war ein gutes Lachen – ehrlich und schelmisch, großzügig und gewitzt.
»Bitte machen Sie sich keine Sorgen«, sagte er, immer noch breit lächelnd. »Das ist zwar nicht meine Gegend, aber ganz ohne Einfluss bin ich hier auch nicht. Ich werde dafür sorgen, dass der Verletzte das nötige Geld bekommt.«
»Und der andere auch«, fügte ich hinzu.
»Der andere?«
»Ja, der andere.«
»Der andere … was?«, fragte er verwirrt.
»Der Taxifahrer.«
»Ach so, ja, der Taxifahrer auch.«
Eine kurze Stille trat ein. Unklarheiten und unausgesprochene Fragen hingen in der Luft. Ich sah aus dem Autofenster, spürte jedoch Obikwas forschenden Blick und wandte mich ihm wieder zu.
»Ich … ich mag Taxifahrer«, sagte ich.
»Ja …«
»Ich … ich kenne eine Menge Taxifahrer.«
»Ja …«
»Und dieses demolierte Taxi, das wird dem Fahrer und seiner Familie eine Menge Kummer bereiten.«
»Natürlich.«
»Also, wann werden Sie es tun?«
»Was tun?«
»Wann werden Sie das Geld für den Mann mit dem Handkarren und den Taxifahrer zahlen?«
»Oh.« Hassan Obikwa grinste und sah wieder in den Rückspiegel, um einen Blick mit Rahim zu wechseln. Der massige Fahrer zuckte mit den Achseln und erwiderte das Grinsen.
»Morgen. Ist morgen okay?«
»Ja«, sagte ich mit gerunzelter Stirn. Das ständige Grinsen verunsicherte mich. »Ich will das nur wissen, damit ich den Männern Bescheid sagen kann. Es geht nicht um das Geld an sich. Das kann ich ihnen auch selbst geben. Das hatte ich sowieso vor. Ich muss da ein paar Dinge wieder gerade rücken. Ein paar von den Leuten sind … Bekannte von mir. Deshalb … deshalb ist mir das wichtig. Wenn Sie das nicht machen, dann muss ich das wissen. Dann kümmere ich mich selbst drum.«
Das Ganze wurde langsam kompliziert, und ich wünschte, ich hätte das Thema nie angesprochen. Und ohne recht zu verstehen, warum, wurde ich wütend auf Obikwa. Dann reichte er mir die Hand.
»Ich gebe Ihnen mein Wort«, sagte er feierlich, und wir schlugen ein.
Danach verfielen wir wieder in Schweigen, und wenig später tippte ich dem Fahrer auf die Schulter.
»Hier ist es gut«, sagte ich, vielleicht etwas barscher als beabsichtigt. »Hier steige ich aus.«
Der Wagen hielt am Straßenrand, nur wenige Blocks vom Slum entfernt. Ich wollte die Tür aufmachen, doch Hassan packte mich am Handgelenk. Sein Griff war sehr fest. Ich überschlug rasch, wie viel kraftvoller dann erst Rahims Griff sein musste.
»Bitte merken Sie sich meinen Namen – Hassan Obikwa. Sie finden mich im afrikanischen Ghetto in
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